BGH, Beschluss vom 10.7.2019 – IV ZB 22/18 

 

Zentrale Normen:

 

(Rückwirkend wirksame Rechtswahl deutschen Errichtungsstatuts im Erbvertrag)

 

Leitsatz des Verfassers:

Ein vor dem 17.8.2015 unwirksamer Erbvertrag kann nach In-Kraft-Treten der EuErbVO rückwirkend wirksam werden.

 

Problem:

Eine nach dem 17.8.2015 verstorbene Erblasserin schloss vor dem Stichtag mit einem italienischen Staatsangehörigen einen Erbvertrag. Dieser ist nach italienischem Recht nicht zulässig und folglich sind die vertragsmäßigen Verfügungen des italienischen Staatsangehörigen unwirksam und daher der Erbvertrag insgesamt unwirksam. Nach In-Kraft-Treten der EuErbVO stellte sich nun die Frage, ob der Erbvertrag rückwirkend wirksam geworden war und später errichtete Verfügungen der deutschen Staatsangehörigen sperrte.

 

 

Aus den Gründen:

1. Das BeschwGer. hat – soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Interesse – ausgeführt, 

der Erbvertrag dürfte vor Inkrafttreten der VO (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ABl. 2012 L 201, 107; im Folgenden: Europäische Erbrechtsverordnung und EuErbVO) unwirksam gewesen sein, da der Erbvertrag nach deutschem Recht den anderen Rechtsordnungen fremd sei. Dies könne jedoch dahinstehen. Er sei zumindest mit dem Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung wirksam geworden. 

Nach Art. 83 II und III EuErbVO seien vor dem 17.8.2015 getroffene Rechtswahlen und errichtete Verfügungen von Todes wegen zulässig sowie materiell und formell wirksam, wenn sie – wie hier – die Voraussetzungen des Kapitels III EuErbVO erfüllten. Die Erblasserin habe zum Zeitpunkt ihres Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt, so dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem deutschem Recht unterliege (Art. 21 EuErbVO). Außerdem hätten die Vertragsparteien sowohl hinsichtlich des Errichtungs- als auch des Erbstatuts deutsches Erbrecht gewählt (Art. 25 III EuErbVO). Damit sei mit dem Stichtag die Wirksamkeit des Erbvertrags eingetreten. Diese umfasse auch die Bindungswirkung des Vertrags für die Erblasserin, die sich aufgrund der von den Vertragsparteien getroffenen Rechtswahl nach dem deutschen Errichtungsstatut richte. Die Erblasserin habe den Erbvertrag daher nach dem Stichtag nicht mehr widerrufen können. Dem stehe der Schutz des Vertrauens in ihre fortbestehende Testierfreiheit nicht entgegen. 

 

2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Dies kann der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Das BeschwGer. hat zutreffend angenommen, dass sich aufgrund der von den Vertragsparteien getroffenen Rechtswahl die Erbfolge nach dem zwischen der Erblasserin und dem Bet. zu 1 geschlossenen Erbvertrag richtet. Die Erbeinsetzung der Bet. zu 4 in dem späteren notariellen Testament ist gem. § 2289 I 2 BGB unwirksam, weil sie die erbvertragliche Alleinerbenstellung des Bet. zu 1 beeinträchtigt. 

a) Das BeschwGer. hat die Wirksamkeit der Wahl des deutschen Errichtungsstatuts zu Recht bejaht. 

aa) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde richtet sich das für die Rechtsnachfolge der Erblasserin maßgebliche Kollisionsrecht für den nach dem 17.8.2015 eingetretenen Erbfall nicht nach den zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrags geltenden mitgliedstaatlichen Kollisionsnormen, sondern nach den Regelungen der Europäischen Erbrechtsverordnung (Art. 83 I EuErbVO). 

bb) Nach der Übergangsbestimmung des Art. 83 II Alt. 1 EuErbVO ist eine vor dem 17.8.2015 getroffene Rechtswahl wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III der Verordnung erfüllt. Dies ist hier der Fall. 

(1) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, erfasst Art. 83 II Alt. 1 EuErbVO auch Erbverträge, denn die Vorschrift verweist allgemein auf die Voraussetzungen des Kapitels III der Verordnung und damit hinsichtlich der Zulässigkeit, materiellen Wirksamkeit und Bindungswirkung eines Erbvertrags, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, auf Art. 25 III EuErbVO (vgl. BeckOGK/J. Schmidt, 1.3.2019, Art. 83 EuErbVO Rn. 10; Burandt/Schmuck in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl., Art. 83 EuErbVO Rn. 4; Erman/Hohloch, BGB, 15. Aufl., Art. 83 EuErbVO Rn. 4; Palandt/Thorn, BGB, 78. Aufl., Art. 83 EuErbVO Rn. 4; Rudolf, ZfRV 2015, 212 [213]; Schoppe, IPRax 2014, 27 [29]; anders im Ansatz MüKoBGB/Dutta, 7. Aufl., Art. 83 EuErbVO Rn. 7, der die Wahl des Errichtungsstatuts nach Art. 25 III EuErbVO dem Regelungsbereich des Art. 83 III EuErbVO zuweist, für die Bindungswirkung aber Art. 83 II EuErbVO heranzieht; so auch NK-BGB/Magnus, 3. Aufl., Art. 83 EuErbVO Rn. 14; Pünder, Gemeinschaftliche Testamente und die EU- Erbrechtsverordnung, 2018, 322). Dem steht der Wortlaut der Norm nicht entgegen, da unter „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ im Sinne des Absatzes 2 jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen unter anderem im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen fällt (Art. 3 I Buchst. a EuErbVO), zu der der Erbvertrag zählt (Art. 3 I Buchst. d EuErbVO). 

(2) Art. 83 II Alt. 1 iVm Art. 25 III EuErbVO gestattet den Parteien eines Erbvertrags für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen ihres Erbvertrags, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, das Recht zu wählen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Art. 22 EuErbVO unter den darin genannten Bedingungen hätten wählen können. Hiernach kann eine Person für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt des Todes angehört (Art. 22 I UAbs. 1 EuErbVO). Art. 25 III EuErbVO erweitert somit den Kreis der wählbaren Rechte und ermöglicht den Vertragsparteien eines mehrseitigen Erbvertrags die einheitliche Wahl des Errichtungsstatuts nach dem Recht des Staates, dem auch nur eine der Vertragsparteien angehört (vgl. BeckOGK/J. Schmidt, Art. 25 EuErbVO Rn. 33; Bauer in Dutta/Weber, Internationales Erbrecht, 2016, Art. 25 EuErbVO Rn. 21; Erman/Hohloch, Art. 25 EuErbVO Rn. 9; Döbereiner in Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Aufl., § 47 Rn. 72; Odersky in Hausmann/Odersky, Internationales Privatrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 3. Aufl., § 15 Rn. 260 f.; MüKoBGB/Dutta, Art. 25 EuErbVO Rn. 11; Süß, Erbrecht in Europa, 3. Aufl., § 4 Rn. 38; Hausmann in Benecke/Hausmann/Peifer/Gebauer, Arbeitsrecht, Erbrecht, Urheberrecht – 50 Jahre deutsch-italienische Juristenvereinigung 2014, 37). Demgemäß stand den Vertragsparteien im Streitfall hinsichtlich des Errichtungsstatuts das deutsche Erbrecht als das Recht der Staatsangehörigkeit der Erblasserin (Art. 22 I UAbs. 1 EuErbVO) zur Wahl, das den Abschluss eines Erbvertrags unter den Voraussetzungen der §§ 2274 ff. BGB grundsätzlich zulässt und diesem im Falle wirksamer Errichtung Bindungswirkung gegenüber einer späteren Verfügung von Todes wegen verleiht, soweit sie – wie hier – das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigt (§ 2289 I 1 und 2 BGB). 

(3) Die Rechtswahl ist auch formwirksam erfolgt. Die Form ist im Streitfall durch die Aufnahme der Rechtswahl in den Erbvertrag und dessen Beurkundung vor einem deutschen Notar gewahrt, Art. 83 II Alt. 1 iVm Art. 27 I UAbs. 1 Buchst. a und c, Art. 25 III, Art. 22 II EuErbVO iVm § 2276 I 1 BGB (vgl. BeckOGK/J. Schmidt, Art. 25 EuErbVO Rn. 36; Erman/Hohloch, Art. 25 EuErbVO Rn. 9; Döbereiner, MittBayNot 2013, 437 [439]). 

b) Die vertragliche Alleinerbeneinsetzung des Bet. zu 1 hat entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht etwa nach § 2279 II iVm § 2077 II BGB ihre Wirksamkeit und Bindungswirkung durch die spätere Beendigung der Lebensgemeinschaft der Vertragsparteien verloren. Die Ausführungen des BeschwGer. halten insbesondere der von der Rechtsbeschwerde erhobenen Rüge, es habe der aus § 68 III 1 iVm § 26 FamFG folgenden Amtsermittlungspflicht nicht genügt, stand. 

aa) Wie die Rechtsbeschwerde selbst sieht, finden die vorstehenden Regelungen des BGB auf die Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vom Gesetzeswortlaut her keine Anwendung (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 16.2.2016 – 20 W 322/14, BeckRS 2016, 9184 Rn. 20; ErbR 2016, 453 = BeckRS 2016, 6193 Rn. 12; BayObLG, NJWE-FER 2001, 261 unter II 2 c; MüKoBGB/Leipold, § 2077 Rn. 15; Palandt/Weidlich, § 2077 Rn. 2; Staudinger/Otte, BGB, Neubearb. 2013, § 2077 Rn. 28). 

bb) Das BeschwGer. hat seiner Beurteilung auch rechtsfehlerfrei das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zwischen der Erblasserin und dem Bet. zu 1 zugrunde gelegt. Soweit die Rechtsbeschwerde nunmehr vorträgt, es habe aufgrund der vom BeschwGer. festgestellten Lebensumstände nahegelegen, dass zwischen den Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Beurkundung des Erbvertrags ein Verlöbnis iSd § 2279 II BGB bestanden habe, vermag dieser neue Vortrag eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nicht zu begründen. 

Über Art und Umfang der Ermittlungen entscheidet der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat lediglich nachzuprüfen, ob das BeschwGer. die Grenzen seines Ermessens eingehalten hat, ferner, ob es von zutreffenden Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist (BGH, NJW-RR 2019, 1089 Rn. 13 mwN). Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht nicht gegeben. Angesichts des unstreitigen vorinstanzlichen Parteivortrags, der zahlreiche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, nicht aber für ein Verlöbnis bot, und des Akteninhalts – die Erblasserin selbst sprach in ihrem Testament von einer beendeten Lebensgemeinschaft – war das BeschwGer. nicht gehalten, die persönliche Beziehung der Erbvertragsparteien auf die Voraussetzungen eines Verlöbnisses zu erforschen (vgl. zum Ermittlungsumfang bei übereinstimmenden Parteivortrag etwa BGH, NJW-RR 2019, 705 Rn. 19; Bahrenfuss/Rüntz, FamFG, 3. Aufl., § 26 Rn. 9; Jacoby in Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2. Aufl., § 26 Rn. 14; Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 26 FamFG Rn. 2). 

c) Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde schließlich auf den europa- und verfassungsrechtlich anerkannten Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot. 

aa) Richtig ist allerdings, dass ein weites Verständnis des Anwendungsbereichs des Art. 83 II Alt. 1 EuErbVO dazu führt, dass – solange der Erbfall am oder nach dem 17.8.2015 eintritt – eine bereits vor dem Geltungsbeginn der Verordnung und dem maßgeblichen Stichtag ihrer Anwendbarkeit getroffene Rechtswahl wirksam wird, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III der Verordnung erfüllt, auch wenn den Vertragsparteien die Rechtswahl nach dem bis zu diesem Zeitpunkt noch gültigen Kollisionsrecht des Aufenthalts- oder Staatsangehörigkeitsstaats nicht möglich war (vgl. Lechner in Geimer/Schütze, Europäische Erbrechtsverordnung, 2016, Art. 83 Rn. 8; MüKoBGB/Dutta, Art. 24 EuErbVO Rn. 19; Dörner, ZEV 2012, 505 [506]; Rudolf, ZfRV 2015, 212 [214, 217]; s. auch Pünder, 328; Heinig, RNotZ 2014, 197 [215]). 

Der Rechtsbeschwerde ist auch darin zuzustimmen, dass sich die Übergangsvorschrift damit auf einen in der Zeit vor Geltungsbeginn der Verordnung liegenden Sachverhalt für die Zukunft auswirkt und die Rechtsposition eines Erblassers nachträglich zumindest dadurch entwertet, dass er nach dem Stichtag an seine zuvor erbvertraglich getroffene Rechtswahl und in der Folge an eine zuvor unwirksam errichtete Verfügung von Todes wegen gebunden ist (eingehend Süß, Erbrecht in Europa, 3. Aufl., § 1 Rn. 46). Anders als die Rechtsbeschwerde meint, handelt es sich insoweit jedoch nicht um eine echte, sondern um eine unechte Rückwirkung, da die Verordnung nicht an einen bereits in der Vergangenheit beendeten Sachverhalt anknüpft. Dieser findet vielmehr erst mit dem Eintritt des Erbfalls seinen Abschluss. Dementsprechend entfaltet eine vor dem Stichtag getroffene Rechtswahl erst mit dem am oder nach dem 17.8.2015 eintretenden Erbfall ihre Wirkung (vgl. dazu Palandt/Thorn, Art. 83 EuErbVO Rn. 4). 

bb) Eine solche Rückwirkung verstößt entgegen dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. 

(1) Nach der Rechtsprechung des EuGH verbietet es der Grundsatz der Rechtssicherheit im Allgemeinen, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts der Union auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen, wobei ausnahmsweise anderes dann gelten kann, wenn das angestrebte Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet wird (EuGH, ECLI:EU:C:2019:332 = BeckRS 2019, 7077 = Celex-Nr. 62017CJ0611 Rn. 106; EuGH, ECLI:EU:C:2010:798 = Slg. 2010, I-13393 = EuZW 2011, 143 Rn. 40 – Bavaria; EuGH, ECLI:EU:C:2002:524 = Slg. 2002, I-7869 = BeckRS 2004, 77749 Rn. 119 – Falck; jew. mwN). Die materiell-rechtlichen Unionsvorschriften sind insoweit, um die Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu gewährleisten, so auszulegen, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten eingetretene Sachverhalte nur gelten, soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (EuGH, ECLI:EU:C:2010:798 = Slg. 2010, I-13393 = EuZW 2011, 143 Rn. 40 – Bavaria; EuGH, ECLI:EU:C:2002:524 = Slg. 2002, I-7869 = BeckRS 2004, 77749 Rn. 119 – Falck; s. auch EuGH, ECLI:EU:C:2019:332 = BeckRS 2019, 7077 = Celex-Nr. 62017CJ0611 Rn. 106; EuGH, ECLI:EU:C:2006:449 = Slg. 2006, I-6249 = BeckRS 2006, 70508 Rn. 42 – Kersbergen-Lap u. Dams-Schipper; EuGH, ECLI:EU:C:2002:57 = Slg. 2002, I-1049 = EuZW 2002, 374 Rn. 49 – Pokrzeptowicz-Meyer). 

Wenn der Grundsatz der Rechtssicherheit einer rückwirkenden Anwendung einer Verordnung unabhängig davon entgegensteht, ob sich eine solche Anwendung für den Betroffenen günstig oder ungünstig auswirkt, verlangt derselbe Grundsatz, dass jeder Sachverhalt normalerweise, soweit nichts Gegenteiliges bestimmt ist, anhand der seinerzeit geltenden Rechtsvorschriften beurteilt wird. Zwar gilt die neue Regelung somit nur für die Zukunft, doch ist sie, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auch auf die künftigen Wirkungen von unter dem alten Recht entstandenen Sachverhalten anwendbar (EuGH, ECLI:EU:C:2010:798 = Slg. 2010, I-13393 = EuZW 2011, 143 Rn. 41 – Bavaria; EuGH, ECLI:EU:C:2002:524 = Slg. 2002, I-7869 = BeckRS 2004, 77749 Rn. 41 – Falck; EuGH, ECLI:EU:C:2006:449 = Slg. 2006, I-6249 = BeckRS 2006, 70508 Rn. 42 – Kersbergen-Lap u. Dams-Schipper, jew. mwN). Der Anwendungsbereich des Grundsatzes des Vertrauensschutzes darf nicht so weit erstreckt werden, dass die Anwendung einer neuen Regelung auf die künftigen Auswirkungen von unter der Geltung der früheren Regelung entstandenen Sachverhalten schlechthin ausgeschlossen ist (EuGH, ECLI:EU:C:2010:10 = Slg. 2010, I-131 = EuZW 2010, 222 Rn. 46 – Stadt Papenburg; EuGH, ECLI:EU:C:2002:57 = Slg. 2002, I-1049 = EuZW 2002, 374 Rn. 55 – Pokrzeptowicz- Meyer mwN). 

Gemessen hieran begegnet die Rückwirkung der Verordnung in Art. 83 II Alt. 1 EuErbVO keinen durchgreifenden Bedenken. 

(a) Ziel der Europäischen Erbrechtsverordnung ist es, die Hindernisse für den freien Verkehr von Personen, denen die Durchsetzung ihrer Rechte im Zusammenhang mit einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug nach den autonomen mitgliedstaatlichen Regelungen Schwierigkeiten bereitet, auszuräumen, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu erleichtern, den Unionsbürgern zu ermöglichen, ihren Nachlass im Voraus zu regeln und die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer sowie anderer Personen, die dem Erblasser nahestehen, effektiv zu wahren (vgl. Erwgr. 7 und 8 EuErbVO; s. dazu auch EuGH, ECLI:EU:C:2018:485 = NJW 2018, 2309 = ErbR 2018, 503 Rn. 49 – Oberle). 

Vor diesem Hintergrund sollen die Übergangsbestimmungen einer Rechtswahl möglichst zur Wirksamkeit verhelfen und das Vertrauen des Erblassers, der nach dem Stichtag verstirbt, aber bereits zuvor eine Rechtswahl getroffen hat, auf ein bestimmtes materielles Recht schützen (vgl. BeckOGK/J. Schmidt, Art. 83 EuErbVO Rn. 4; Fucik in Deixler- Hübner/Schauer, EuErbVO, 2015, Art. 83 Rn. 5; Bauer in Dutta/Weber, Art. 83 EuErbVO Rn. 4; Lechner in Geimer/Schütze, Art. 83 Rn. 5; MüKoBGB/Dutta, Art. 83 EuErbVO Rn. 1; NK- BGB/Magnus, 3. Aufl., Art. 83 EuErbVO Rn. 2, 8; Palandt/Thorn, Art. 83 EuErbVO Rn. 1; Lechner, ZErb 2014, 188 [193 f.]; Rudolf, ZfRV 2015, 212; Schoppe, IPRax 2014, 27 [28]). 

(b) Zwar kann dies im Einzelfall dazu führen, dass auch eine zuvor unwirksam getroffene Rechtswahl nach dem Stichtag wirksam und bindend wird (Lechner in Geimer/Schütze, Art. 83 Rn. 8; Schoppe, IPRax 2014, 27 [29]; s. auch zu Art. 83 III EuErbVO Lechner in Geimer/Schütze, Rn. 43; Odersky in Hausmann/Odersky, Internationales Privatrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 3. Aufl., § 15 Rn. 259; Hertel in Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 4. Aufl., Art. 83 EuErbVO Rn. 9; Pünder, 328). Der europäische Gesetzgeber hat aber in Art. 83 II Alt. 1 EuErbVO bewusst die Wirksamkeit einer vor dem Stichtag getroffenen Rechtswahl allein davon abhängig gemacht, dass die Voraussetzungen des Kapitels III der Verordnung erfüllt sind (Lechner in Geimer/Schütze, Art. 83 Rn. 8). Eine Einschränkung dahingehend, dass dies nur gelten solle, wenn die Rechtswahl zugleich nach altem Kollisionsrecht wirksam war, lässt sich dem Wortlaut hingegen nicht entnehmen (vgl. Schoppe, IPRax 2014, 27 [29] mit Hinweis auf die englische und französische Sprachfassung). Somit werden nach der gesetzlichen Konzeption des Art. 83 II Alt. 1 EuErbVO in rechtlicher Unkenntnis erfolgte zunächst unwirksame Rechtswahlen geheilt (vgl. Lechner in Geimer/Schütze Art. 83 Rn. 8). Die Übergangsbestimmungen des Art. 83 EuErbVO sind geprägt von dem Ziel, die Wirksamkeit – früherer – Verfügungen von Todes wegen und Rechtswahlen soweit irgend möglich aufrechtzuerhalten, sie aber gegebenenfalls auch zu heilen (vgl. Lechner in Geimer/Schütze, Art. 83 Rn. 5). 

(c) Gestützt wird dieses Verständnis des Anwendungsbereichs des Art. 83 II Alt. 1 EuErbVO durch den Sinn und Zweck der Übergangsregelungen, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Vertrauensschutz des Erblassers an den Bestand seiner – wenn auch zum damaligen Zeitraum möglicherweise unwirksamen – Rechtswahl und dem Ziel, der politisch gewollten Gesetzesänderung auch tatsächliche Geltung zu verleihen (vgl. Schoppe, IPRax 2014, 27 [29]). Vom Geltungsbereich der Verordnung erfasste Erblasser werden hierdurch nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt, da ihnen der Übergangszeitraum von rund drei Jahren zwischen Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung und ihrer Geltung in aller Regel ausreichend Zeit bot, ihre Nachlassangelegenheiten an die neue Rechtslage anzupassen (vgl. EuGH, ECLI:EU:C:1981:94 = Slg. 1981, 1095 = BeckRS 2004, 71268 Rn. 50; EuGH, ECLI:EU:C:1979:129 = Slg. 1979, 1801 = BeckRS 2004, 73806 Rn. 20 ff.; s. auch Schoppe, IPRax 2014, 27 [28]). 

(2) Die Rüge der Rechtsbeschwerde, die vorgenannte Auslegung der Übergangsbestimmungen verletze deutsches Verfassungsrecht, greift schon deshalb nicht durch, weil die unechte Rückwirkung der Europäischen Erbrechtsverordnung auch verfassungsrechtlich unbedenklich ist. 

Nach der Rechtsprechung des BVerfG geht der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (BVerfGE 132, 302 = NJW 2013, 145 Rn. 45; BVerfGE 127, 1 = NJW 2010, 3629 Rn. 57; BVerfGE 68, 287 = NZA 1985, 326 Rn. 46, jew. mwN). Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen der Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (BVerfGE 132, 302 = NJW 2013, 145 Rn. 46; BVerfGE 127, 1 = NJW 2010, 3629 Rn. 58, jew. mwN). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird die Übergangsregelung der EuErbVO aus den oben dargelegten Gründen gerecht. 

3. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gem. Art. 267 III AEUV ist im Streitfall nicht veranlasst, da die richtige Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Bestimmungen der Europäischen Erbrechtsverordnung derart offenkundig sind, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum verbleibt (vgl. EuGH, ECLI:EU:C:2016:603 = ABl. 2016 C 350, 11 = BeckRS 2016, 81745 Rn. 53 = NVwZ 2016, 1403 Ls. – Association France Nature Environnement; EuGH, ECLI:EU:C:2015:644 = GRUR Int 2015, 1152 Rn. 43 – Doc Generici; EuGH, ECLI:EU:C:1982:335 = Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257 Rn. 16, 21 – CILFIT).