OLG Bremen, Beschluss vom 16.4.2020 – 3 W 9/20

 

Zentrale Normen: Art. 20, 21, 34 EuErbVO

 

(Geltung deutschen Erbrechts für ein in Deutschland belegenes Nachlassgrundstück eines britischen Staatsangehörigen)

 

Anmerkung des Verfassers:

War der Erblasser britischer Staatsangehöriger, so gilt für die Erbfolge in sein in Deutschland belegenes Nachlassgrundstück aufgrund der Rückverweisung des Art. 34 EuErbVO.

 

Aus den Gründen:

I.

Die Antragsteller haben die Eintragung einer Grundschuld sowie - die Antragsteller zu 1- 5) - die Eintragung einer Auflassungsvormerkung beantragt. Mit notariellem Kaufvertrag vom 25.10.2019 (UR-Nr….. des Notar Y) haben die Antragsteller zu 1-4) ein in Bremerhaven gelegenes Grundstück erworben. Die Antragstellerin zu 5) war am 14.3.2019 verstorben, d.h. sie lebte im Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufvertrages nicht mehr. Sie war britische Staatsangehörige (England und Wales). Während der Beurkundung hat einer der übrigen Teileigentümer die Veräußerungserklärungen als vollmachtloser Vertreter für die Antragstellerin zu 5) abgegeben. Unter dem 01.08.2019 war mit Urkunde des High Court of Justice England and Wales (Oxford), Herr Z zum „administrator“ des Nachlasses der Antragstellerin zu 5) bestellt worden. Dieser hat mit notariell beglaubigter Erklärung vom 24.01.2020 die mit der Urkunde vom 25.10.2019 (UR-Nr. des Notar Y) beurkundete Erklärung des vollmachtlosen Vertreters genehmigt. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 17.02.2020 die Eintragung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass angesichts des in England geltenden Grundsatzes der Nachlassspaltung für das in Deutschland befindliche unbewegliche Vermögen deutsches Recht gelte. Der Administrator könne in diesem Fall nicht auftreten. Erforderlich sei deshalb die Zustimmung der Erben der Frau X unter Vorlage eines gegenständlich beschränkten Erbscheins. Gegen diese Zwischenverfügung haben die Antragsteller am 27.02.2020 Beschwerde eingelegt. Sie verweisen darauf, dass nach Art. 3 Nr. 1 lit.e. EGBGB das anwendbare Recht ausschließlich nach der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (im Folgenden: EU-ErbVO) zu ermitteln sei. Mangels Rechtswahl der Erblasserin bestimme sich das anwendbare Recht gem. Art. 21 Abs.1 EU-ErbVO nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort der Verstorbenen. Da diese in England gelebt habe, sei englisches Recht anzuwenden. Gem. Art. 23 Abs.2 lit. f. EU-ErbVO sei das ermittelte Recht auch auf die Rechte der Nachlassverwalter insbesondere im Hinblick auf die Veräußerung von Vermögen anzuwenden. Gem. Art. 34 Abs.1 EU-ErbVO komme es nur zu einer Rückverweisung, wenn das anzuwendende Recht auf das Recht eines Drittstaates hinweise. Da das Vereinigte Königreich noch Mitglied der Europäischen Union sei, müsse es noch als EU-Mitgliedsstaat behandelt werden. Eine Rückverweisung auf das deutsche Recht erfolge daher nicht. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Hanseatischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es hat zur Begründung angegeben, die Vorschriften EU-ErbVO fänden keine Anwendung, weil das Vereinigte Königreich während seiner EU-Mitgliedschaft kein Mitgliedsstaat im Sinne der EU-ErbVO gewesen sei. 

II.

Die Beschwerde ist statthaft. Der Senat versteht die vom Notar eingelegte Beschwerde so, dass sie nicht in seinem Namen sondern im Namen der Antragsteller, d.h. der Verkäufer und für die Grundschuld auch für die Gläubigerin (die ebenfalls den Antrag auf Eintragung gestellt hat) eingelegt worden ist. Die Beschwerde ist allerdings unzulässig, soweit sie auch für die Antragstellerin zu 5) eingelegt worden sein soll. Die Antragstellerin zu 5) (im Folgenden: Verkäuferin zu 5) ist bereits seit dem 14.3.2019 verstorben und damit nicht parteifähig. Im Übrigen ist die Beschwerde zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Das Grundbuchamt hat im Ergebnis zu Recht die Eintragung abgelehnt. Nach Auffassung des Senats liegt für beide Anträge schon keine wirksame Eintragungsbewilligung gem. § 19 GBO vor. Auf den Kaufvertrag ist – trotz Beteiligung ausländischer – englischer – Verkäufer – gemäß Art.4 Abs.1 lit c. Rom I-VO deutsches Recht anzuwenden. Der Eigentumsübergang richtet sich gemäß Art. 3, 43 Abs.1 EGBGB ebenfalls nach deutschem Recht, da es sich um ein in Deutschland belegenes Grundstück handelt. Gemäß § 104 BGB kann jedoch nur eine rechts- und geschäftsfähige Person eine Willenserklärung abgeben. Die Rechts- und Geschäftsfähigkeit für die Verkäuferin zu 5) richtet sich gemäß Art. 7 EGBGB nach englischem Recht. Diese war im Zeitpunkt der Vertragsbeurkundung bereits verstorben und konnte deshalb keine Erklärungen abgeben. Nach allen Rechtsordnungen endet die Rechtsfähigkeit mit dem Tod einer Person (Ludwig in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., Art. 7 EGBGB Rdnr. 14, Stand: 01.03.2020), sie kann dementsprechend auch keine Willenserklärungen mehr abgeben. Auch ein vollmachtloser Vertreter kann nicht für eine im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung bereits verstorbene, d.h. nicht (mehr) existente Person auftreten, mit der Folge, dass die Erben der Verstorbenen die Erklärung genehmigen könnten. § 177 BGB ist auf eine derartige Konstellation nicht, auch nicht analog, anwendbar. Allerdings wird vereinzelt vertreten, dass die Vorschrift auch eingreifen soll, wenn für eine nicht existierende Person gehandelt wird. Darunter wird allerdings regelmäßig eine (noch) nicht existierende juristische Person verstanden (z.B. OLG Hamm Urteil vom 12.09.1997 –29 U 191/96 Rdnr. 16, LG Berlin, Urteil vom 25. Juni 2019 – 22 O 50/18 Rdnr. 27–, juris, Palandt/Ellenberger 79. Aufl. 2020 § 177 BGB Rdnr.3, Ulrici in BeckOGK § 177 BGB Rdnr. 70 ff.). Im Falle der Vertretung einer nicht existierenden Person ist regelmäßig die Anwendung von § 179 BGB von entscheidender Bedeutung, d.h. die Frage, ob der für eine nicht existierende Person auftretende (vollmachtlose) Vertreter für die von ihm abgegebene Erklärung haftet (vgl. BGH, Beschl. v. 5. 2. 2013 – VIII ZR 276/12 Rdnr.1 – beck-online, Palandt-Ellenberger a.a.O.; Ulrici a.a.O. Rdnr.72). Um die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht geht es jedoch in der hier zu treffenden Entscheidung über eine Grundbucheintragung nicht.

Es besteht auch kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung des § 177 BGB auf eine bereits verstorbene natürliche Person, es liegt insbesondere keine Regelungslücke vor. Das Vermögen geht im Zeitpunkt des Todes auf die Erben über (§ 1922 Abs.1 BGB), so dass diese über die Nachlassgegenstände verfügungsbefugt sind. Sollten die Erben unbekannt sein, so besteht die Möglichkeit der Nachlasspflegschaft gemäß § 1960 Abs.2 BGB, so dass der Nachlasspfleger (für die unbekannten Erben) die Verfügungsbefugnis hat. Im zu entscheidenden Fall fiel der Grundstücksanteil der Verkäuferin zu 5) bereits im Zeitpunkt der Beurkundung in den Nachlass der Verstorbenen. Berechtigt sind deren – offensichtlich auch bekannte - Erben. Schließlich ist auch nicht ersichtlich – insbesondere aus der notariellen Urkunde nicht – dass die Verkäuferin zu 5) etwa noch zu Lebzeiten dem anderen Teileigentümer eine Vollmacht erteilt hätte, die über ihren Tod hinaus Geltung gehabt hätte. Eine solche wäre – nach deutschem Recht – zu berücksichtigen gewesen, allerdings hätten auch dann die Erben vertreten werden müssen (vgl. Palandt/Weidlich 79. Aufl 2020 Einf. vor § 2197 BGB Rdnr. 10).

Ob in diesem Fall u.U. der „administrator“ berechtigt war, Erklärungen für den Nachlass abzugeben, kann insoweit dahingestellt bleiben, denn er hat keine eigenen Erklärungen für den Nachlass abgegeben, sondern Erklärungen Dritter genehmigt. Angesichts der eindeutigen notariellen bzw. notariell beglaubigten Erklärungen kann auch – unabhängig davon, ob der „administrator“ dazu berechtigt wäre – die Genehmigungserklärung nicht in eine eigene Veräußerungs- bzw. Bewilligungserklärung umgedeutet werden. Aus diesem Grunde sind sowohl die schuldrechtliche Verkaufserklärung für den Anteil der Verstorbenen als auch – was im Rahmen des Verfahrens auf Grundbucheintragung wichtiger ist – die entsprechende Eintragungsbewilligung unwirksam, so dass mangels Einwilligung der Voreingetragenen eine Eintragung weder der Grundschuld noch der Auflassungsvormerkung erfolgen kann. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgende Umstände hin:

Gemäß Art. 21 EU-ErbVO ist auf die Rechtsnachfolge nach dem Tod der Teileigentümerin mit dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt in England englisches Recht anzuwenden. Art. 21 EU-ErbVO ist gemäß Art.20 EU-ErbVO auch anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedsstaats ist. Das gilt auch für das Recht des Vereinigten Königreichs, weil es die EU-ErbVO nicht gezeichnet hat und damit – auch während seiner Mitgliedschaft in der Europäischen Union bzw. in der Übergangszeit nach dem Austritt - als Drittstaat gilt (vgl. BeckOGK/J. Schmidt, 1.2.2020, EuErbVO Art. 20 Rn. 20, Geimer/Schütze Int. Rechtsverkehr/Schall/Simon, 58. EL Oktober 2019, EuErbVO Art. 1 Rn. 3 – beck-online). Aus diesem Grunde ist auch Art. 34 EU-ErbVO anzuwenden, mit der Folge, dass die in England aufgrund der Nachlassspaltung hinsichtlich des beweglichen und unbeweglichen Vermögens geltende Rückverweisung auf das lex rei sitae (dazu Kroiß/Ann/Mayer- Odersky Großbritannien 5. Aufl. 2018 Rdnr. 3,4 – beck-online) zu beachten ist. Deutschland ist Mitgliedsstaat gem. Art. 34 Abs.1 lit a) EU-ErbVO, so dass es sich um eine reine Sachnormverweisung handelt (dazu: BeckOGK/J. Schmidt, 1.2.2020, EuErbVO Art. 34 Rn. 5).

Danach gilt für das hier betroffene unbewegliche Vermögen der Verkäuferin zu 5) deutsches Recht. Infolgedessen muss auch für die Abwicklung des unbeweglichen Nachlasses deutsches Recht gelten (dazu Kroiß/Ann/Mayer- Odersky a.a.O. Rdnr. 16), so dass der in England bestellte „administrator“ keine Erklärungen für den Nachlass abgeben kann. Eine entsprechende Funktion ist dem deutschen Recht unbekannt, da es sich dabei nicht um eine – vom Erblasser verfügte – Testamentsvollstreckung handelt (vgl. Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Auflage 2019 §48 Rdnr. 51 – beck-online). Für den in Deutschland befindlichen unbeweglichen Nachlass sind daher nur die ausgewiesenen Erben verfügungsbefugt. Weil die Ausführungen zum weiteren Verfahren keine entscheidungserhebliche Bedeutung haben, war die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen.

Im Übrigen hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht.

Der Wert der Beschwer ergibt sich für den Antrag auf Grundschuldbestellung aus § 53 Abs.1 S.1 GNotKG und für den Antrag auf Eintragung einer Vormerkung aus § 45 Abs.3 GNotKG.