OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.9.2020 – 21 W 59/20

 

Zentrale Normen: Art. 21 EuErbVO; § 1371 I BGB

 

(Gewöhnlicher Aufenthalt; Substitution des "Güterstands" nach § 1371 I BGB)

 

Anmerkung des Verfassers: 

Die Absicht, in das Heimatland zurückkehren zu wollen, und die Umsetzung dieser Absicht hindern nicht für sich die Annahme eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO), wenn der Erblasser langjährige berufliche und soziale Bindungen am tatsächlichen Aufenthaltsort hat. 

Der Begriff des "ehelichen Güterstands" in § 1371 I BGB ist nicht substituierbar. Auch eine Anpassung des Erbteils nach IPR-Grundsätzen kommt nicht in Betracht, wenn das Güterstatut keine Regelungen zur Erhöhungen der Erbquoten von Ehegatten und das Erbstatut die Erhöhung aufgrund von nichtvorliegenden Tatbestandsmerkmalen nicht vorsieht.

 

Aus den Gründen:

 

Zum gewöhnlichen Aufenthalt nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO

 

"Der Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes“ im Sinne der EuErbVO ist von dieser zwar in keiner Bestimmung definiert worden; jedoch enthalten die Erwägungsgründe 23 und 24 insoweit nützliche Hinweise (vgl. EuGH, Urteil vom 16.07.2020, Rs C-80/19, Rn. 37).

Nach dem 23. Erwägungsgrund dieser Verordnung obliegt es der mit der Erbsache befassten Behörde, den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zu bestimmen, wobei diese Behörde sowohl den Umstand, dass der allgemeine Anknüpfungspunkt der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes ist, als auch sämtliche Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes zu beachten hat und dabei alle relevanten Tatsachen zu berücksichtigen hat, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt sollte eine besonders enge und feste Verbindung zwischen dem Nachlass und dem betreffenden Staat erkennen lassen. Insoweit sind im 24. Erwägungsgrund der Verordnung verschiedene Fälle aufgeführt, in denen es sich als komplex erweisen kann, den gewöhnlichen Aufenthalt zu bestimmen. War der Erblasser ein Staatsangehöriger eines Staates oder hatte er alle seine wesentlichen Vermögensgegenstände in diesem Staat, so könnte - wie es im letzten Satz dieses Erwägungsgrundes heißt - seine Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem diese Vermögensgegenstände sich befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein, wenn sich der Erblasser aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen - unter Umständen auch für längere Zeit - in einen anderen Staat begeben hat, um dort zu arbeiten, aber eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat aufrechterhalten hat.

Daraus folgt nach der Rechtsprechung des EuGH, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers von den mit der Erbsache befassten Behörden und Gerichten anhand einer Gesamtbeurteilung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls festzulegen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 16.07.2020, Rs C-80/19, Rn. 40).

Unter einem gewöhnlichen Aufenthalt ist dabei der durch Gesamtbeurteilung ermittelte Daseinsmittelpunkt einer Person im Sinne des Schwerpunkts ihrer familiären, sozialen und beruflichen Beziehungen zu verstehen (vgl. Palandt/Thorn, EuErbVO, 2020, Art. 21 Rn. 6). Dies erfordert eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen, insbesondere der Dauer und der Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers im Zweitstaat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17.12.2019, 15 W 488/17, BeckRS 2019, 44890, Rn. 4). Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung kann auch die Willensrichtung des Erblassers zu berücksichtigen sein (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 02.01.2018, 10 W 35/17, ZEV 2018, 343, juris, Rn. 7). Jedoch sind solche subjektiven Elemente nicht für sich allein geeignet, entgegen der objektiven Gestaltung der übrigen Lebensverhältnisse einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 02.01.2018, 10 W 34/17, ZEV 2018, 343, juris, Rn.7, Beschluss vom 17.12.2019, 15 W 488/17, BeckRS 2019, 44890, Rn. 4). Eine Mindestdauer des tatsächlichen Aufenthalts im Drittstatt wird von Art. 21 EuErbVO für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts oder die Feststellung des dabei als subjektives Element abwägungsrelevanten Bleibewillens (animus manendi) nicht gefordert. Schon ein Aufenthalt von wenigen Wochen kann ausreichend sein, um einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Verordnung zu begründen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 12.09.1019 - 6 AR 1/19, FGPrax 2019, 217). Denn der Aufenthaltsbegriff der Verordnung umfasst insoweit nur ein qualitatives, aber kein quantitatives Zeitelement (vgl. Süß, Erbrecht in Europa, 2015, § 2 Rn. 17). Demzufolge kann auch das aufgrund eines fortbestehenden Rückkehrwillens für sich genommen geringere Gewicht des einfachen Bleibewillens im Rahmen der Gesamtabwägung trotz bestehen gebliebenen Rückkehrwillens durch längere Dauer des Aufenthalts im Fremdstaat und dortige Verwurzelung des Erblassers aufgewogen werden (vgl. Palandt/Thorn, BGB, 2020, Art. 21 EuErbVO Rn. 6)."

 

Zur Verweisungsart (Sachnormverweisung / Gesamtverweisung)

"Die aus Art. 21 i.V.m. Art. 20 EuErbVO folgende Verweisung auf das chinesische Recht ist dabei, wie sich mittelbar aus der von Art. 34 Abs. 2 EuErbVO als Grundsatz angeordneten Unbeachtlichkeit einer Rück- oder Weiterverweisung ergibt, grundsätzlich als Sachnormverweisung aufzufassen (vgl. Hüßtege/Mansel/Looschelders, 2019, EuErbVO, Rn. 17).

Nach Art. 10 des damit zur Anwendung berufenen Erbgesetzes der Volksrepublik China vom 10.04.1985 (nachfolgend: ErbG, zit. nach Ferid/Firsching/v. Saenger, Internationales Erbrecht, Stand 18.05.2004) wird der Nachlass in erster Ordnung von dem Ehegatten, den Abkömmlingen sowie den Eltern des jeweiligen Erblassers beerbt, wobei nach Art. 13 Abs. 1 ErbG Erben gleicher Ordnung grundsätzlich zu gleichen Teilen erben (vgl. Eberl-Borges, ErbR 2013, 15, 16 f.). Eine güterstandsabhängige Erhöhung der Erbquote des überlebenden Ehegatten ist dabei nicht vorgesehen (vgl. Eberl-Borges, ErbR 2013, 15, 24).

Gemäß § 10 Nr. 1 ErbG werden als gemäß § 13 Abs. 3 ErbG gleichberechtigte Miterben auf erster, den übrigen Stufen vorrangiger Stufe die Eltern, der Ehegatte und die Kinder des jeweiligen Erblassers berufen.

Die Eltern des Erblassers waren nach den dazu im Beschwerdeverfahren bei den Geschwistern des Erblassers als Auskunftspersonen eingeholten schriftlichen Auskünften im Zeitpunkt des Erbfalls bereits seit längerem vorverstorben. Demzufolge sind in Anwendung chinesischen Erbrechts im Grundsatz die Beteiligte zu 2) als überlebende Ehefrau des Erblassers und die Beteiligte zu 1) als dessen Abkömmling gemäß §§ 10 Nr. 1, 13 Abs. 1 ErbG zu gleichen Teilen und damit zu je ½ als Miterben kraft gesetzlicher Erbfolge nach dem Erbrecht der Volksrepublik China zu Erben geworden.

Dem Hauptantrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Erbscheins, wonach der Erblasser unter Beschränkung auf die in Deutschland befindlichen Nachlassgegenstände von der Beteiligten zu 1) in Anwendung deutschen Erbrechts mit einer Erbquote von ¾ beerbt worden ist, verhilft insoweit auch nicht zum Erfolg, dass der in Art. 21, 20 EuErbVO i.V.m. Art. 34 Abs. 2 EuErbVO angeordnete Grundsatz der Sachnormverweisung auf das von Art. 21 Abs. 1 EuErbVO berufene Erbstatut unter den in Art. 34 Abs. 1 EuErbVO benannten Voraussetzungen eine Durchbrechung erfährt.

Denn die von Art. 34 Abs. 1 EuErbVO angeordnete Rückverweisung auf das hier in Betracht kommende deutsche Erbrecht betrifft im Wege der internationalprivatrechtlichen Nachlassspaltung allein das unbewegliche Inlandsvermögen, nicht aber den im Inland belegenen beweglichen Nachlass des Erblassers. Ein Erbschein des Inhalts, wonach die Beteiligte zu 1) in Anwendung deutschen Erbrechts zur Miterbin zu ¾ berufen worden ist, würde hiernach allenfalls dann in Betracht kommen, wenn sich der inländische Nachlass des Erblassers ausschließlich auf dessen unbewegliches Immobiliarvermögen beschränkt hätte und keinerlei inländischer beweglicher Nachlass vorhanden gewesen wäre, für den eine Erbfolge nach dem gemäß Art. 21 Abs. 1 EuErbVO zur Anwendung berufenen Erbrecht der Volksrepublik China in Betracht kommt.

Insoweit steht jedoch fest und wird auch von der Beteiligten zu 1) nicht in Frage gestellt, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Ablebens jedenfalls auch über Konten bei im Inland ansässigen Geschäftsbanken mit Habensalden und damit über inländischen, der Erbfolge nach chinesischem Erbrecht unterliegenden beweglichen Nachlass verfügt hat.

Den Hauptantrag der Beteiligten zu 1) hat das Nachlassgericht hiernach zu Recht zurückgewiesen."

 

Zur Substitution

 

"Eine Anwendung des § 1371 Abs. 1 BGB scheidet zwar nicht schon aus kollisionsrechtlichen Gründen aus. Denn bei § 1371 Abs. 1 BGB handelt es sich im Sinne des Art. 1 Abs. 1 EuErbVO um eine die Rechtsnachfolge von Todes wegen betreffende Vorschrift (vgl. EuGH NJW 2018, 1377). Diese Qualifikation muss damit auch nachvollzogen werden, soweit eine nach Art. 34 Abs. 1 a) beachtliche Rückverweisung des ausländischen Kollisionsrechts eine Qualifikation nach der lex fori vorschreibt, wie diese hier gemäß § 9 IPRG der Fall ist. Denn die güterrechtliche Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB nach autonomem deutschen Kollisionsrecht (vgl. BGHZ 205, 289) wird auch insoweit durch den Vorrang der gemeinschaftsrechtlichen Norm des Art. 1 Abs. 1 EuErbVO verdrängt.

Jedoch fehlt es an der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1371 Abs. 1 BGB.

Voraussetzung für die Erhöhung der Erbquote des überlebenden Ehegatten gemäß § 1931 Abs. 3 i.V.m. § 1371 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, dass die Ehegatten im Zeitpunkt des Todes des Erblassers im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts gemäß §§ 1362 ff. BGB gelebt hatten.

Eine Zugewinngemeinschaft im Sinne des § 1371 BGB hat zwischen der Beteiligten zu 2) und dem Erblasser jedoch nicht vorgelegen. Denn die Ehe des Erblassers unterlag nicht dem deutschen Ehegüterrecht, sondern dem Ehegüterrecht der Volksrepublik China.

Gemäß Art. 1 Abs. 2 d) der EuErbVO sind Fragen des Ehegüterrechts vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen. Es bildet damit auch dann eine internationalprivatrechtliche Vorfrage der von Art. 21, 35 Abs. 2 EuErbVO zur Anwendung berufenen Vorschriften des deutschen materiellen Erbrechts, ob die Ehe des Erblassers mit der Beteiligten zu 2) infolge Anwendung deutschen Ehegüterrechts dem von § 1371 Abs. 1 BGB vorausgesetzten Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach §§ 1362 ff. BGB unterlag.

Das Ehegüterstatut als Vorfrage ist jedenfalls bei der hier gegebenen Übereinstimmung des Forumsrechts mit dem zur Anwendung berufenen Sachrecht selbständig, also nach den internationalprivatrechtlichen Vorschriften des sowohl als lex causae wie als lex fori berufenen deutschen Kollisionsrechts anzuknüpfen (vgl. MüKo/v. Hein, 2020, Einl IPR Rn. 181)." [...]

"Mit diesem Inhalt kann der für die ehegüterrechtlichen Beziehungen des Erblassers zu der Beteiligten zu 2) maßgebliche gesetzliche Güterstand der §§ 17 ff. EheG dem von § 1371 BGB vorausgesetzten Güterstand der Zugewinngemeinschaft deutschen Ehegüterrechts auch nicht im Wege der internationalprivatrechtlichen Substitution, also dadurch gleichgesetzt werden, dass der gesetzliche Güterstand des chinesischen Ehegüterrechts im Rahmen des § 1371 Abs. 1 BGB im Wege der Auslegung dem dort vorausgesetzten, inländischen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gleichgestellt wird.

Denn die Möglichkeit der Substitution des deutschen Rechtsbegriffs durch die ausländische Rechtserscheinung hängt davon ab, ob und inwieweit eine Übereinstimmung in der Funktion der beiden besteht. Hierzu ist eine Vergleichbarkeit der wesentlichen, normprägenden Merkmale erforderlich (vgl. BGHZ 205, 289, juris, Rn. 33).

Nach diesen Grundsätzen ist der gesetzliche Güterstand des chinesischen Erbrechts einer Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts nicht hinreichend ähnlich, um eine Anwendung der §§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB auf das Erbrecht der Beteiligten zu 1) rechtfertigen zu können.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein ausländischer Güterstand, der aus deutscher Sicht als Errungenschaftsgemeinschaft anzusehen ist, nicht für eine Anwendung des § 1371 BGB im Wege einer internationalprivatrechtlichen Subsitution in Betracht kommt (vgl. z.B. OLG Hamm, Beschluss vom 21.03.2019 – 10 W 31/17, ZEV 2019, 343, juris, Rn. 32, ähnlich OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.11.2016 – 20 W 103/15, ZEV 2017, 1169, juris, Rn. 59 f. <Anpassung entbehrlich>). Dem folgt auch die überwiegende Literatur (vgl. z.B. Dutta/Weber/Fornasier, EuErbVO, 2016, Art. 63 EuErbVO Rn. 32).

Die Auffassung, wonach eine Anwendung des § 1371 BGB im Wege internationalprivatrechtlicher Substitution auch für aus deutscher Sicht als Errungenschaftsgemeinschaft anzusehende Güterstände ausländischen Rechts in Betracht kommen soll, wird nur eher vereinzelt vertreten (vgl. etwa Sakka, MittBayNot 2018, 4, 7). Sie vermag auch in der Sache nicht zu überzeugen.

Denn für die Fragestellung, ob das zur Anwendung berufene ausländische Ehegüterrecht eine Erbteilserhöhung nach § 1371 Abs. 1 BGB rechtfertigt, ist richtigerweise maßgeblich darauf abzustellen, ob das ausländische Recht hinsichtlich des Ausgleichsmechanismus bei Tod eines Ehegatten dem Ausgleichsmechanismus der Zugewinngemeinschaft deutschen Ehegüterrechts funktional gleichwertig ist (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, § 1931 BGB Rn. 10). Von einer solchen funktionalen Vergleichbarkeit kann jedoch nicht schon allein deshalb ausgegangen werden, weil der ausländische Güterstand bei Beendigung durch Tod eines der beiden Ehegatten überhaupt irgendeine Form der wirtschaftlichen Beteiligung des überlebenden Ehegatten an dem gemeinsam erwirtschafteten Vermögen kennt. Vielmehr ist richtigerweise zu fordern, dass es sich dabei um eine im Rahmen der Beendigung der Ehe durch Tod zu § 1371 Abs. 1 BGB funktional vergleichbare Ausgleichsregelung handelt (vgl. Süß DNotZ 2018, 742, 752). Daran fehlt es, wenn der überlebende Ehegatte im Rahmen eines aus deutscher Sicht als Errungenschaftsgemeinschaft einzuordnenden Güterstands ausländischen Rechts bereits zu Lebzeiten des Erblassers dinglich an dem während der Ehe erworbenen Vermögen partizipiert, statt in der Zugewinngemeinschaft vergleichbarer Weise auf einen erst bei Beendigung der Ehe anfallenden, schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch verwiesen zu werden (vgl. Dutta/Weber/Fornasier, Internationales Erbrecht, 2016, Art. 63 EuErbVO Rn. 32, Weber, NJW 2018, 1356, 1357f.).

Es führt zu keiner anderen Beurteilung, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein von dem ausländischen Recht gewährter Ehegattenerbteil als „gesetzlicher Erbteil“ im Sinne des § 1371 Abs. 1 BGB angesehen werden darf, bereits genügt, dass das ausländische Recht überhaupt eine dingliche Beteiligung am Nachlass im Sinne eines „echten Anteils“ vorsieht, auch wenn sie sich nur auf erbrechtlicher Grundlage ergibt (vgl. Beschluss vom 13.05.2015 - IV ZB 30/14, NJW 2015, 2185, juris, Rn. 32 f.). Denn dies betrifft allein die Rechtsfolgenseite dieser Vorschrift, also die Frage, ob der überlebende Ehegatte einer deutschen Zugewinngemeinschaft auch bei Anwendung ausländischen Erbrechts in den Genuss der von § 1371 Abs. 1 BGB vorgesehenen Erbteilserhöhung kommen soll. Hier geht es um die andersartige Fragestellung, ob der ausländische Güterstand auf der Seite der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1371 Abs. 1 BGB als ein der inländischen Zuwinngemeinschaft funktional vergleichbarer Güterstand angesehen werden kann. Dieser funktionalen Vergleichbarkeit steht jedoch entgegen, dass der gesetzliche Güterstand nach chinesischem Recht gemäß § 26 ErbG auch im Todesfall eine dingliche Auseinandersetzung des in die Errungenschaft fallenden, ehezeitlichen Erwerbs der Eheleute und gerade keinen rein schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch oder dessen Ersetzung durch einen erhöhten Erbteil vorsieht, wie dies für die erbrechtliche Abwicklung der inländischen Zugewinngemeinschaft kennzeichnend ist." [...]

 

Zur Anpassung

 

"Eine Erhöhung der Erbquote der Beteiligten zu 2) für das inländische unbewegliche Vermögen des Erblassers ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer internationalprivatrechtlichen Anpassung. Denn das Ergebnis der internationalprivatrechtlichen Normanwendung bedarf nur dann einer Anpassung an die Umstände des konkreten Einzelfalls im Wege der Angleichung, wenn das Zusammenspiel einer Anwendung der Vorschriften des deutschen Rechts unter Subsumtion einer Erscheinung des ausländischen Rechts unter den Rechtsbegriff der deutschen Rechtsnorm in seinem Zusammenspiel mit den sonstigen im Einzelfall zur Anwendung berufenen Vorschriften des ausländischen Sachrechts ein insgesamt widersprüchliches oder unstimmiges Ergebnis ergibt (vgl. BGHZ 205, 289, juris, Rn. 34).

Zwar kann ein solches Anpassungserfordernis auch dort vorliegen, wo die Anwendung unterschiedlicher Güter- und Erbrechte deshalb zu einem unbilligen Ergebnis führt, weil er den überlebenden Ehegatten schlechter stellt, als dieser sich bei vollständiger Anwendung jeder der beteiligten Rechtsordnungen stehen würde. Die Anpassung hat in einem solchen Fall grundsätzlich dadurch zu erfolgen, dass der überlebende Ehegatte mindestens das erhält, was ihm nach jedem der beiden Rechte für sich betrachtet zustehen würde, wenn sowohl dessen Erbrecht wie auch sein Güterrecht zur Anwendung käme (vgl. Palandt/Thorn, 2017, Art. 15 EGBGB Rn. 27). Auch diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.

Zwar würde der Beteiligten zu 2), wenn das Erbrecht der Volksrepublik China auch auf das inländische unbewegliche Vermögen des Erblassers Anwendung finden würde, ein wertmäßiger Anteil in Höhe der ihr nach diesem Erbrecht zustehenden Quote von ½ an dem Hausgrundstück des Erblassers in Deutschland zustehen, während ihr bei Anwendung deutschen Erbrechts dann, wenn man den gesetzlichen Güterstand des chinesischen Ehegüterrechts weder einer Zugewinngemeinschaft noch einer Gütertrennung gleichstellt, nur der in § 1931 Abs. 1 BGB vorgesehene Anteil von ¼ zukommt. Darin liegt jedoch schon deshalb kein unsinniges oder widersprüchliches Ergebnis, weil der Beteiligten zu 2) auch nach deutschem Erbrecht nur eine Erbquote von ¼ zustehen würde, wenn die Eheleute im Güterstand einer Errungenschaftsgemeinschaft nach deutschem Recht gelebt hätten.

Eine Anpassung der Erbquote des überlebenden Ehegatten, der in einer Errungenschaftsgemeinschaft ausländischen Rechts als gesetzlichen Güterstand gelebt hatte, auf die für den gesetzlichen Güterstand der inländischen Zugewinngemeinschaft gemäß §§ 1931 Abs. 1, Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB vorgesehene Gesamtquote von ½ liegt dabei insbesondere schon deshalb fern, weil eine solche Erhöhung der Erbquote des überlebenden Ehegatten von dem deutschen Gesetzgeber auch für die Errungenschaftsgemeinschaft inländischen Rechts ausgeschlossen worden ist.

Der Gesetzgeber hat bei Einführung der Zugewinngemeinschaft als gesetzlichen Güterstand im Jahre 1958 durch Art. 8 I 7 der Übergangsvorschriften des GleichberG zwar einerseits angeordnet, dass die Vorschriften über die Errungenschaftsgemeinschaft für den Güterstand der Eheleute auch nach Einführung der Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand maßgeblich bleiben sollen, sofern die Eheleute diesen Güterstand bereits vor Inkraftreten des GleichberG gewählt hatten. Gleichwohl hat er dies nicht zum Anlass genommen, den Anwendungsbereich des mit dem GleichberG geschaffenen § 1371 BGB auch auf die nach Art. 8 I 7 GleichberG als altrechtlichen Güterstand fortbestehende Errungenschaftsgemeinschaft zu erstrecken. Steht dem überlebenden Ehegatten bei Auflösung einer inländischen Errungenschaftsgemeinschaft die in § 1371 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1931 Abs. 3 BGB geregelte Erbteilserhöhung nicht zu, sondern muss er sich mit dem Erbteil von ¼ nach § 1931 Abs. 1 BGB sowie dem Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung der Errungenschaftsgemeinschaft zufrieden geben, besteht jedoch ebenfalls keine Veranlassung, den überlebenden Ehegatten einer ausländischen Errungenschaftsgemeinschaft dadurch besser zu stellen, dass sein Erbteil im Wege einer internationalprivatrechtlichen Anpassung auf mindestens ½ des Nachlasses festgelegt wird.

Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass die Belange der überlebenden Ehefrau internationalprivatrechtlich stets den Vorrang haben sollen und deshalb immer das für die Ehefrau günstigste Erb- und Güterstatut zum Zuge kommen müsse (dafür z.B. MüKo/Siehr, 2015, Art. 15 EGBGB Rn. 105 mwN). Denn die internationalprivatrechtliche Anpassung dient allein dazu, völlig unbillige Ergebnisse zu korrigieren, die sich aus einer von dem Erbstatut abweichenden Anknüpfung des Güterrechtsstatuts ergeben. Sie ist deshalb allenfalls dort veranlasst, wo ein Güterrecht, dass dem überlebenden Ehegatten nichts gibt, weil dieser erbrechtlich abgefunden wird, mit einem anderen Erbrecht zusammentrifft, dass deshalb keinen Erbanteil der Ehefrau vorsieht, weil der betreffende Ehegatte bereits ehegüterrechtlich abgefunden worden ist (vgl. Staudinger/Mankowski, 2003, Art. 15 EGBGB <a.F.>, Rn. 379; MüKo/Leipold, 2020, § 1371 BGB Rn. 40). Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor.

Zwar bleibt der Beteiligten zu 2) bei kombinierter Anwendung deutschen Erbrechts und chinesischen Ehegüterrechts eine wertmäßige Beteiligung an dem vorehelich von dem Erblasser erworbenen Hausgrundstück im Umfang desjenigen Anteils von ¼ vorenthalten, der ihr im Falle einer einheitlichen Anwendung deutschen Erb- und Ehegüterrechts im Rahmen der pauschalierten Verwirklichung des Zugewinnausgleichs durch die von § 1371 Abs. 1 BGB geregelte Erbquotenerhöhung zustehen würde. Jedoch handelt es sich bei der von § 1371 Abs. 1 BGB angeordneten Erbquotenerhöhung ihrerseits um eine vom Gesetzgeber allein aus Praktikablitätsgründen geschaffene Pauschalierungsregelung. Der inländische unbewegliche Nachlass, für den hier allein eine internationalprivatrechtliche Anpassung erwogen werden könnte, setzt sich hier dabei - soweit ersichtlich - allein aus dem 2007 und damit deutlich vor Eheschließung erworbenen Hausgrundstück zusammen.

Dass die Erbteilserhöhung gemäß § 1371 Abs. 1, 2. Halbs. BGB einen Zugewinn nicht voraussetzt, sondern auch dort eingreift, wo sich der Nachlass in erheblichem Umfang aus von dem Zugewinnausgleich ansonsten ausgenommenem vorehelichen Erwerb zusammensetzt, wird jedoch gerade in derartigen Fallgestaltungen seinerseits verbreitet als unbillig angesehen (vgl. Soergel/Grziwotz, BGB, 2012, § 1371 BGB Rn. 3 mwN; Palandt/Weidlich, BGB, 2020, § 1371 BGB Rn. 3 <“misslich“>).

Auch deshalb besteht keine Veranlassung, den der Beteiligten zu 1) gemäß §§ 1924 Abs. 1, 1931 Abs. 1 BGB zustehenden Anteil von ¾ im Wege der internationalprivatrechtlichen Anpassung auf den hypothetischen ½-Anteil zu kürzen, der sich ergeben würde, wenn die Beteiligte zu 2) mit dem Erblasser im gesetzlichen Güterstand der inländischen Zugewinngemeinschaft gelebt hätte.

Demzufolge sind im Ergebnis diejenigen Tatsachen für festgestellt zu erachten, die zur Erteilung eines Erbscheins erforderlich sind, mit dem die Beteiligte zu 1) hinsichtlich des inländischen Nachlasses des Erblassers für den beweglichen Nachlass in Anwendung des Erbrechts der Volkrsrepublik China aufgrund gesetzlicher Erbfolge als Miterbin zu ½ und für den unbeweglichen Nachlass in Anwendung deutschen Erbrechts aufgrund Rückverweisung des Rechts der Volksrepublik China aufgrund gesetzlicher Erbfolge als Miterbin zu ¾ ausgewiesen wird.

Die aufgrund Nachlassspaltung für beide beteiligten Vermögensmassen im Grundsatz getrennt auszustellenden Erbscheine dürfen dabei aus Vereinfachungsgründen in einem einheitlichen Dokument als Doppelerbschein ausgestellt werden (vgl. BeckOKGFamFG/Schlögel, 2020, § 352c FamFG Rn. 9; MüKo/Grziwotz, 2020, § 352c BGB Rn. 26)."