URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

vom 9. September 2021 - C-277/20 

Relevante Normen: Art. 3 Abs. 1 Buchst. b sowie Art. 83 Abs. 2 der EuErbVO

Leitsätze: 

1.     Ein Vertrag, in dem eine Person vorsieht, dass bei ihrem Tod das Eigentum an einer ihr gehörenden Liegenschaft auf andere Vertragsparteien übergeht, ist ein Erbvertrag im Sinne der EuErbVO.

2.      Art. 83 Abs. 2 EuErbVO ist nicht auf die Prüfung der Wirksamkeit einer Rechtswahl anzuwenden, die vor dem 17. August 2015 lediglich für einen Erbvertrag im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der EuErbVO getroffen wurde, der einen bestimmten Vermögenswert des Erblassers und nicht dessen gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen betrifft. 

 

Aus den Gründen:

3        In den Erwägungsgründen 9, 11, 14 und 49 der Erbrechtsverordnung heißt es:

„(9)      Der Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich auf alle zivilrechtlichen Aspekte der Rechtsnachfolge von Todes wegen erstrecken, und zwar auf jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge.

(11)      Diese Verordnung sollte nicht für Bereiche des Zivilrechts gelten, die nicht die Rechtsnachfolge von Todes wegen betreffen. Aus Gründen der Klarheit sollte eine Reihe von Fragen, die als mit Erbsachen zusammenhängend betrachtet werden könnten, ausdrücklich vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden.

(14)      Rechte und Vermögenswerte, die auf andere Weise als durch Rechtsnachfolge von Todes wegen entstehen oder übertragen werden, wie zum Beispiel durch unentgeltliche Zuwendungen, sollten ebenfalls vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden. …

(49)      Ein Erbvertrag ist eine Art der Verfügung von Todes wegen, dessen Zulässigkeit und Anerkennung in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ist. Um die Anerkennung von auf der Grundlage eines Erbvertrags erworbenen Nachlassansprüchen in den Mitgliedstaaten zu erleichtern, sollte diese Verordnung festlegen, welches Recht die Zulässigkeit solcher Verträge, ihre materielle Wirksamkeit und ihre Bindungswirkungen, einschließlich der Voraussetzungen für ihre Auflösung, regeln soll.“

4        Art. 1 („Anwendungsbereich“) der Erbrechtsverordnung bestimmt:

„(1)      Diese Verordnung ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden. …

(2)      Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind:

g)      Rechte und Vermögenswerte, die auf andere Weise als durch Rechtsnachfolge von Todes wegen begründet oder übertragen werden, wie unentgeltliche Zuwendungen, Miteigentum mit Anwachsungsrecht des Überlebenden (joint tenancy), Rentenpläne, Versicherungsverträge und ähnliche Vereinbarungen, unbeschadet des Art. 23 Abs. 2 Buchstabe i;

l)      jede Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register, einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Eintragung, sowie die Wirkungen der Eintragung oder der fehlenden Eintragung solcher Rechte in einem Register.“

5        In Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) Abs. 1 der Erbrechtsverordnung heißt es:

„(1)      Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚Rechtsnachfolge von Todes wegen‘ jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge;

b)      ‚Erbvertrag‘ eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht;

...

d)      ‚Verfügung von Todes wegen‘ ein Testament, ein gemeinschaftliches Testament oder einen Erbvertrag;

…“

6        Kapitel III („Anzuwendendes Recht“) der Erbrechtsverordnung umfasst deren Art. 20 bis 38.

7        Art. 21 („Allgemeine Kollisionsnorm“) der Erbrechtsverordnung lautet:

„(1)      Sofern in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist, unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

(2)      Ergibt sich ausnahmsweise aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem Staat hatte, dessen Recht nach Absatz 1 anzuwenden wäre, so ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.“

8        In Art. 22 („Rechtswahl“) Abs. 1 und 2 der Erbrechtsverordnung heißt es:

„(1)      Eine Person kann für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört.

...

(2)      Die Rechtswahl muss ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben.“

9        Art. 83 („Übergangsbestimmungen“) Abs. 2 der Erbrechtsverordnung sieht vor:

„Hatte der Erblasser das auf seine Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht vor dem 17. August 2015 gewählt, so ist diese Rechtswahl wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, wirksam ist.“

 Österreichisches Recht

10      § 956 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung lautet:

„Eine Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Tode des Schenkenden erfolgen soll, ist mit Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten als ein Vermächtnis gültig. Nur dann ist sie als ein Vertrag anzusehen, wenn der Beschenkte sie angenommen, der Schenkende sich des Befugnisses, sie zu widerrufen, ausdrücklich begeben hat, und eine schriftliche Urkunde darüber dem Beschenkten eingehändigt worden ist.“

11      § 1 Abs. 1 lit. d des Notariatsaktsgesetzes knüpft die Gültigkeit eines Schenkungsvertrags ohne wirkliche Übergabe an die Aufnahme eines Notariatsakts.

12      § 26 des Grundbuchsgesetzes sieht vor:

„(1)      Einverleibungen und Vormerkungen können nur aufgrund von Urkunden bewilligt werden, die in der zu ihrer Gültigkeit vorgeschriebenen Form ausgefertigt sind.

(2)      Diese Urkunden müssen, wenn es sich um die Erwerbung oder Umänderung eines dinglichen Rechts handelt, einen gültigen Rechtsgrund enthalten.“

13      § 2 des Rechtspflegergesetzes (im Folgenden: RpflG) bestimmt:

„Ein Gerichtsbeamter kann für eines oder mehrere der folgenden Arbeitsgebiete zum Rechtspfleger bestellt werden: …

3.      Grundbuchs- und Schiffsregistersachen;

…“

14      § 16 Abs. 2 RpflG sieht vor:

„Dem Richter bleiben stets vorbehalten: ...

6.      Entscheidungen, bei denen ausländisches Recht anzuwenden ist.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15      Ausweislich der dem Gerichtshof vorliegenden Akte verpflichtete sich der Vater von UM mit Vertrag vom 22. Juli 1975, unter bestimmten Bedingungen seinem Sohn und seiner damaligen Schwiegertochter das Eigentum an einer in Österreich gelegenen Liegenschaft einschließlich aller im Zeitpunkt seines Ablebens darauf befindlichen Bauwerke je zur Hälfte zu übertragen. Beim Abschluss dieses Vertrags, für den österreichisches Recht als anwendbar bestimmt worden war, hatten alle Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.

16      Zu den in diesem Vertrag vorgesehenen Bedingungen gehörte u. a. die Verpflichtung des Vaters von UM, binnen zehn Jahren nach Vertragsabschluss ein Zweifamilienhaus zu errichten, sowie der Umstand, dass UM und seine Ehefrau noch verheiratet sein mussten und diese noch am Leben sein musste. Andernfalls sollte UM laut Vertrag der einzige Begünstigte sein. Der Vater von UM bewilligte auch die Eintragung der Eigentumsübertragung im österreichischen Grundbuch, sofern eine amtliche Sterbeurkunde vorgelegt und nachgewiesen wird, dass die Bedingungen für die Durchführung der Übertragung eingetreten sind. Vor dem Tod des Vaters von UM am 13. Mai 2018 in Köln (Deutschland) kam es zur Scheidung der Ehe von UM und seiner Frau, die in weiterer Folge starb.

17      Das Nachlassverfahren wurde beim Amtsgericht Köln (Deutschland), dem letzten Aufenthaltsort des Vaters von UM, eröffnet.

18      UM beantragte beim Bezirksgericht Hermagor (Österreich) die Einverleibung seines Eigentumsrechts an der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Liegenschaft im Grundbuch und machte hierzu geltend, dass er zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters der einzige Begünstigte des oben genannten Vertrags gewesen sei. Der mit der Entscheidung über dieses Begehren beauftragte Rechtspfleger dieses Gerichts war der Ansicht, dass das österreichische Recht anzuwenden sei, und wies das Begehren mangels Nachweisen für den Eintritt der Bedingungen des im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Vertrags ab.

19      Das Landesgericht Klagenfurt (Österreich) bestätigte diese Entscheidung und führte zur Begründung aus, dass erstens die Erbrechtsverordnung wegen der in diesem Vertrag getroffenen Wahl des österreichischen Rechts nicht anwendbar sei und dass zweitens die Übergabe der Liegenschaft aufgrund der Schenkung auf den Todesfall nicht ohne den Nachweis der Errichtung des Hauses, wie sie in diesem Vertrag vorgesehen sei, erfolgen könne.

20      UM erhob Revisionsrekurs beim vorlegenden Gericht, dem Obersten Gerichtshof (Österreich).

21      Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Frage der Wirksamkeit der Wahl des österreichischen Rechts als auf einen Vertrag zur Eigentumsübertragung von Todes wegen anzuwendendes Recht und die Anwendung der Erbrechtsverordnung auf ihn Vorfragen seien, die es von Amts wegen prüfen müsse, um die funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers im Ausgangsrechtsstreit beantworten zu können.

22      Die dem zuständigen Grundbuchsgericht vorgelegten Unterlagen ließen den Schluss zu, dass nach den Kriterien des österreichischen Rechts ein Vertrag zur Eigentumsübertragung von Todes wegen zugunsten von UM geschlossen worden sei. Es sei jedoch fraglich, ob dieser Vertrag in den Anwendungsbereich der Erbrechtsverordnung falle und als „Erbvertrag“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und d dieser Verordnung angesehen werden könne.

23      Bejahendenfalls hält das vorlegende Gericht hinsichtlich der Anwendbarkeit des von den Parteien des im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Vertrags gewählten österreichischen Rechts die Übergangsbestimmungen der Erbrechtsverordnung für anwendbar, hat jedoch Zweifel betreffend die Auslegung von Art. 83 Abs. 2 der Verordnung, insbesondere im Hinblick auf die von den Vertragsparteien getroffene Rechtswahl.

24      Unter diesen Umständen hat der Oberste Gerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 3 Abs. 1 lit. b der Verordnung Nr. 650/2012 dahin auszulegen, dass ein zwischen zwei deutschen Staatsangehörigen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, abgeschlossener Schenkungsvertrag auf den Todesfall betreffend eine in Österreich gelegene Liegenschaft, wonach der Geschenknehmer nach dem Tod des Geschenkgebers einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem Nachlass auf grundbücherliche Einverleibung seines Eigentumsrechts aufgrund dieses Vertrags und der Sterbeurkunde des Geschenkgebers, somit ohne Zutun der Abhandlungsbehörde, haben soll, ein Erbvertrag im Sinn dieser Bestimmung ist?

2.      Für den Fall, dass diese Frage bejaht wird:

Ist Art. 83 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 dahin auszulegen, dass damit auch die Wirksamkeit einer vor dem 17. August 2015 getroffenen Rechtswahl für einen als Erbvertrag im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. b dieser Verordnung zu qualifizierenden Schenkungsvertrag auf den Todesfall geregelt wird?

25      Nachdem der Gerichtshof beschlossen hat, gemäß Art. 61 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, hat er den Parteien und den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union genannten Beteiligten mehrere Fragen zur schriftlichen Beantwortung gestellt, die UM, die deutsche und die spanische Regierung sowie die Europäische Kommission beantwortet haben.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

26      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Erbrechtsverordnung dahin auszulegen ist, dass ein Vertrag, in dem eine Person vorsieht, dass bei ihrem Tod das Eigentum an einer ihr gehörenden Liegenschaft auf andere Vertragsparteien übergeht, einen Erbvertrag im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

27      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. g der Erbrechtsverordnung „Rechte und Vermögenswerte, die auf andere Weise als durch Rechtsnachfolge von Todes wegen begründet oder übertragen werden, wie unentgeltliche Zuwendungen“, von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sind. Dagegen stellen die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Erbrechtsverordnung definierten Erbverträge ebenso wie Testamente oder gemeinschaftliche Testamente „Verfügungen von Todes wegen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung dar.

28      Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Erbrechtsverordnung bezeichnet der Ausdruck „Erbvertrag“ „eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht“.

29      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung nicht nur ihres Wortlauts, sondern auch des Kontexts der Vorschrift und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss (Urteil vom 1. März 2018, Mahnkopf, C‑558/16, EU:C:2018:138, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Zum Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Erbrechtsverordnung ist festzustellen, dass sich diese Bestimmung allgemein auf eine Vereinbarung bezieht, die insbesondere Rechte am künftigen „Nachlass“ begründet.

31      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung der Ausdruck „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ „jede Form des Übergangs von Vermögenswerten ..., sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge“, bezeichnet.

32      Daraus folgt, dass ein Vertrag, in dem eine Person vorsieht, dass bei ihrem Tod das Eigentum an einer ihr gehörenden Liegenschaft übertragen wird, und damit anderen Parteien dieses Vertrags Rechte an ihrem künftigen Nachlass einräumt, einen „Erbvertrag“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Erbrechtsverordnung darstellt.

33      Diese Auslegung wird durch das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel bestätigt, eine Nachlassspaltung gemäß dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Erbfolge zu verhindern und eine einheitliche Regelung zu schaffen, die auf alle zivilrechtlichen Aspekte einer Rechtsnachfolge von Todes wegen mit grenzüberschreitendem Bezug anwendbar ist, insbesondere auf „jede Form des Übergangs von Vermögenswerten ... von Todes wegen“, wie sich aus dem neunten Erwägungsgrund dieser Verordnung ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juni 2018, Oberle, C-20/17, EU:C:2018:485, Rn. 55 und 56).

34      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. g der Erbrechtsverordnung zwar insbesondere Vermögenswerte, die auf andere Weise als durch Rechtsnachfolge von Todes wegen übertragen werden, wie unentgeltliche Zuwendungen, von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sind, diese Ausnahme aber eng auszulegen ist.

35      Daraus folgt, dass eine in einer Vereinbarung über den Nachlass enthaltene Bestimmung, die ebenso wie eine „unentgeltliche Zuwendung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. g in einer Schenkung besteht, aber erst mit dem Tod des Erblassers wirksam wird, in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt.

36      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Erbrechtsverordnung dahin auszulegen ist, dass ein Vertrag, in dem eine Person vorsieht, dass bei ihrem Tod das Eigentum an einer ihr gehörenden Liegenschaft auf andere Vertragsparteien übergeht, einen Erbvertrag im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

 Zur zweiten Frage

37      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 83 Abs. 2 der Erbrechtsverordnung dahin auszulegen ist, dass er auf die Prüfung der Wirksamkeit einer vor dem 17. August 2015 für einen Erbvertrag im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung getroffenen Rechtswahl anzuwenden ist.

38      Nach Art. 83 („Übergangsbestimmungen“) Abs. 2 dieser Verordnung ist, wenn „der Erblasser das auf seine Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht vor dem 17. August 2015 gewählt [hatte], diese Rechtswahl wirksam, wenn sie die Voraussetzungen des Kapitels III dieser Verordnung erfüllt oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, wirksam ist“.

39      Hierzu ist festzustellen, dass diese Bestimmung, wie sich schon aus ihrem Wortlaut in Verbindung mit den Art. 21 und 22 der Erbrechtsverordnung ergibt, die Gültigkeit der Rechtswahl für die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen regelt. Im vorliegenden Fall ergibt sich jedoch aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte und vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht, dass die Wahl des österreichischen Rechts nur den Erbvertrag betraf, den der Erblasser in Bezug auf einen seiner Vermögenswerte geschlossen hatte, und nicht dazu diente, das auf die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht zu bestimmen, so dass die Voraussetzung für die Anwendung von Art. 83 Abs. 2 der Erbrechtsverordnung unter solchen Umständen nicht erfüllt sein kann.

40      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 83 Abs. 2 der Erbrechtsverordnung dahin auszulegen ist, dass er nicht auf die Prüfung der Wirksamkeit einer Rechtswahl anzuwenden ist, die vor dem 17. August 2015 lediglich für einen Erbvertrag im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung, der einen bestimmten Vermögenswert des Erblassers und nicht dessen gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen betrifft, getroffen wurde.

 Kosten

41      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses ist dahin auszulegen, dass ein Vertrag, in dem eine Person vorsieht, dass bei ihrem Tod das Eigentum an einer ihr gehörenden Liegenschaft auf andere Vertragsparteien übergeht, einen Erbvertrag im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

2.      Art. 83 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 ist dahin auszulegen, dass er nicht auf die Prüfung der Wirksamkeit einer Rechtswahl anzuwenden ist, die vor dem 17. August 2015 lediglich für einen Erbvertrag im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung, der einen bestimmten Vermögenswert des Erblassers und nicht dessen gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen betrifft, getroffen wurde.