Pflichtteilsrecht

 

Was versteht man unter dem Pflichtteil?

Wenn der Verstorbene seine Abkömmlinge oder seinen Ehegatten durch ein Testament oder eine sonstige Verfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge ausschließt, steht diesen Angehörigen dennoch eine finanzielle Mindestbeteiligung am Nachlass zu. Der Pflichtteil ist aber kein „kleiner Erbteil“. Der Pflichtteilsberechtigte wird auch nicht ein Erbe mit geringerer Erbquote. Vielmehr hat der Pflichtteilsberechtigte gegen den oder die Erben einen Anspruch auf eine Geldzahlung. Anders als die Erben kann der Pflichtteilsberechtigte nicht auf das Nachlassvermögen zugreifen. Er muss sich an die Erben wenden und seinen Pflichtteil geltend machen. Reagieren diese nicht und verweigern die Zahlung des Pflichtteils, so muss der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch ggf. gegen die Erben einklagen. Von anderen Beteiligten, insbesondere von Banken, kann der Pflichtteilsberechtigte keine Zahlung verlangen. Er kann auch nicht verlangen, dass ihm statt eines Geldbetrages ein bestimmter Gegenstand überlassen wird. Andererseits können die Erben auch nicht verlangen, dass sich der Pflichtteilsberechtigte statt mit einem Geldbetrag mit einem Nachlassgegenstand zufrieden gibt, selbst wenn dieser ggf. mehr wert ist als der Geldbetrag, der dem Pflichtteilberechtigten zusteht.

 

Wie hoch ist der Pflichtteil?

Die Höhe des Anspruchs auf den Pflichtteil hängt vom Wert des Vermögens des Verstorbenen ab. Relativ einfach zu bestimmen ist zunächst die Pflichtteilsquote, also der Prozentsatz mit dem sich der Pflichtteil auf der Basis des Nachlassvermögens berechnet. Die Pflichtteilsquote beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Beispiel: Hat der verwitwete Verstorbene drei Kinder und setzt er nur ein Kind zu seinem Erben ein, so können die beiden anderen Kinder, die insofern enterbt wurden, den Pflichtteil verlangen. Wäre die gesetzliche Erbfolge eingetreten, so hätten die drei Kinder den Verstorbenen zu gleichen Teilen, also zu je 1/3 beerbt. Der gesetzliche Erbteil würde in diesem Fall also 1/3 betragen. Die Pflichtteilsquote beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, im Beispielfall also jeweils 1/6.


Wem steht der Anspruch auf den Pflichtteil zu?

Pflichtteilsberechtigt sind die Nachkommen des Verstorbenen (Kinder und Enkel, Urenkel, usw), der hinterbliebene Ehegatte und – sofern der Verstorbene keine Abkömmlinge hatte, auch die Eltern des Verstorbenen. Die Enkelkinder des Erblassers sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn der Elternteil, der vom Erblasser selbst abstammt, vorverstorben ist (das Kind des Erblassers verstirbt unter Hinterlassung eigener Kinder vor seinem Elternteil). Geschwister des Erblassers haben keinen Anspruch auf einen Pflichtteil, und zwar auch dann nicht, wenn sie nach der gesetzlichen Erbfolge zu Erben berufen wären, also wenn der Verstorbene keine Abkömmlinge hat und seine Eltern bzw. ein Elternteil vorverstorben sind. Voraussetzung für den Pflichtteil ist immer, dass die genannten Personen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, also enterbt wurden.

Werden die Abkömmlinge, der Ehegatte oder die Eltern aus einem anderen Grund nicht Erben des Verstorbenen, etwa weil sie die Erbschaft ausgeschlagen haben, sind sie nicht berechtigt, den Pflichtteil zu fordern. Es wäre also grundlegend falsch, die Erbschaft auszuschlagen in der Absicht dann den Pflichtteil zu fordern. Etwas anderes kann sich aber durch gesetzliche Bestimmungen ergeben, die dem Betroffenen auch bei Ausschlagung der Erbschaft den Anspruch auf den Pflichtteil ausdrücklich zuweisen.

 

Wer muss den Pflichtteil zahlen?

Grundsätzlich schulden die Erben die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs. Gibt es mehrere Erben so kann sich der Pflichtteilsberechtigte aussuchen, ob er alle Miterben oder nur einen in Anspruch nimmt. Die Miterben haften gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten als Gesamtschuldner, d.h. jeder von ihnen haftet dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber auf die volle Summe. Der Pflichtteilsberechtigte kann die Summe aber natürlich nur einmal fordern. Fordert der Pflichtteilsberechtigte die Summe nur von einem Miterben bzw. erfüllt nur ein Miterbe die volle Forderung des Pflichtteilsberechtigten, so kann er von den anderen Miterben entsprechend der Erbquoten Ausgleich verlangen.

 

Was muss ich tun, um den Pflichtteil zu erhalten?

Der Pflichtteil wird nicht automatisch an den oder die Berechtigten ausgezahlt. Es gibt auch keine Verpflichtung der Erben, sich bei den Pflichtteilsberechtigten zu melden. Die Berechtigten werden auch nicht vom Gericht oder einer sonstigen Stelle informiert. Sie müssen sich also selbst kümmern und ihren Anspruch gegenüber den Erben geltend machen. Dabei ist zu beachten, dass der Anspruch auf den Pflichtteil der Verjährung unterliegt. Der Berechtigte muss den Pflichtteil sogar selbst berechnen und ggf. einklagen, um die Verjährung zu hemmen. Für eine solche Klage ist nicht das Nachlassgericht zuständig. Häufig muss die Klage wegen der zu erwartenden Höhe des Pflichtteils beim Landgericht erhoben werden. Es besteht insofern Anwaltszwang, d.h. der Pflichtteilsberechtigte kann die Klage nicht selbst beim Gericht erheben, sondern muss dies durch einen Rechtsanwalt tun. Dies ist insbesondere dann zu beachten, wenn die Verjährung droht.

 

Worüber kann ich vom Erben Auskunft verlangen?

Gemäß § 2314 BGB hat der Pflichtteilsberechtigte einen Auskunftsanspruch gegenüber den Erben über den Bestand des Nachlasses. Die danach bestehende Auskunftspflicht nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB erstreckt sich nicht nur auf den tatsächlich vorhandenen Nachlass, sondern auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten auch auf den sogenannten fiktiven Nachlass. Dabei gehören zum fiktiven Nachlass alle anrechnungs-  und ausgleichpflichtigen Zuwendungen. Zu offenbaren sind nicht nur die ausdrücklich als Schenkungen bezeichneten Zuwendungen, sondern auch sonstige Zuwendungen, bei denen der Verdacht einer gemischten Schenkung besteht (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24. Juli 2012 · Az. 11 U 117/10).

 

Der Erbe hat hierzu ein schriftliches Nachlassverzeichnis vorzulegen über Bestand und Wert des Nachlasses des Verstorbenen. Das Verzeichnis hat sich insbesondere zu erstrecken auf ie beim Erbfall tatsächlich vorhandenen Gegenstände (Grundbesitz, Bank-, Wertpapier- und Depotguthaben, Firmenbeteiligungen, KFZ, Schmuck, Hausrat), alle Nachlassverbindlichkeiten, alle Schenkungen, auch Pflicht- und Anstandsschenkungen des Erblassers sowie darüber hinaus auch alle ehebezogenen Zuwendungen des Erblassers an seinen Ehegatten, die nach §§ 2325, 2329 BGB pflichtteilsergänzungspflichtig sein könnte, alle Zuwendungen, die nach den §§ 2050 ff, 2316 ausgleichspflichtig sein könnten, den Güterstand, in dem der Erblasser gelebt hat, sämtliche Verträge zu Gunsten Dritter auf den Todesfall sowie deren Zuwendungsempfänger, sämtliche Lebensversicherungsverträge des Erblassers, auch soweit Sie oder Dritte als Bezugsberechtigte eingesetzt sind, den Güterstand, in dem der Erblasser gelebt hat. Dabei sind ggf. auch Zuwendungen anzugeben, die vor mehr als 10 Jahren vor dem Erbfall erfolgt sind, zum Beispiel bei Zuwendungen an den Ehegatten oder Zuwendungen von Gegenständen, an denen sich der Erblasser ein Nießbrauch vorbehalten hat.

 

Neben dem Auskunftsanspruch hat der Pflichtteilsberechtigte auch einen Wertermittlungsanspruch. Insbesondere in Bezug auf Grundbesitz oder etwaige Firmenbeteiligungen des Verstorbenen kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass der Erbe Sachverständigengutachten zum Wert einholt.

 

 

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