Kann das deutsche Pflichtteilsrecht ausgeschlossen werden?

 

In einem Erbfall mit deutsch-amerikanischen Bezügen kommt zwangsläufig die Frage nach dem deutschen Pflichtteilsrecht auf. Ob das deutsche Pflichtteilsrecht anwendbar ist, ist eine Frage des generell anwendbaren Rechts. Unseren Beitrag zum anwendbaren Recht im deutsch-amerikanischen Erbfall finden Sie hier.

 

Findet deutsches Erbrecht Anwendung, bezieht sich dies auch auf das Pflichtteilsrecht. Findet amerikanisches Erbrecht Anwendung, so bleibt das deutsche Pflichtteilsrecht unberücksichtigt.

 

Rechtswahl des amerikanischen Erbrechts

 

Besteht der Wunsch, die gesetzlichen Erben minimal zu begünstigen, so kommt eine Wahl des amerikanischen Erbrechts in Betracht. Dies kann allerdings nicht jeder tun.

 

Beispiel: Der künftige Erblasser lebt in Deutschland und ist amerikanischer Staatsbürger. Er hat zwei Kinder und eine Ehefrau. Er verfügt über Immobilien sowie Bankkonten in Deutschland und den USA. Er möchte seine Kinder maximal begünstigen und seiner Ehefrau so wenig wie möglich hinterlassen.

 

Da aus deutscher Sicht nach Artikel 21 EuErbVO der Erblasser nach dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts beerbt wird (Deutschland), kommt für ihn nur eine Rechtswahl nach Artikel 22 EuErbVO in Betracht. Eine Rechtswahl ist nur zugunsten des Heimatrechts möglich - das Recht, dessen Staatsangehörigkeit man zum Zeitpunkt des Todes hat. Amerikanisches Erbrecht kann also nur wählen, wer auch amerikanischer Staatsbürger ist.

 

 

Ist die Rechtswahl wirksam?

 

Zunächst ist fraglich, ob die Rechtswahl wirksam ist. Die formellen Voraussetzungen der Wirksamkeit bemessen sich in diesem Fall nicht nach  Artikel 75 Absatz 1 EuErbVO in Verbindung mit dem Haager Testamentsformübereinkommen, da die USA dies nicht unterzeichnet haben. Somit kommt es aus deutscher Sicht allein auf die Voraussetzungen von Artikel 27 EuErbVO an. Danach wäre eine Rechtswahl gültig, wenn z.B. die deutsche Testamentsform eingehalten wurde. 

Die inhaltliche Wirksamkeit würde sich nach dem amerikanischen Recht beurteilen, vgl. Art. 22 EuErbVO. Das heißt aber nicht, dass eine Rechtswahl zur Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen von deutschen Gerichten auch für wirksam erachtet wird. Bisher ungeklärt ist nämlich der Streit, ob eine solche Rechtswahl mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) vereinbar ist (vgl. MüKoBGB/Dutta, 8. Aufl. 2020, EuErbVO Art. 35 Rn. 6-12; Zwirlein, JuS 2015, 981 (984)). Das Bundesverfassungsgericht hat dem Pflichtteilsrecht in Deutschland Verfassungsrang eingeräumt. Daher könnte eine vollständige Aushöhlung des Pflichtteilsrechts ohne Kompensation nach Art. 35 EuErbVO nichtig sein.

 

 

Sollte man eine Rechtswahl zur Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen treffen?

 

Neben der Wirksamkeit stellt sich weiter die Frage ob man eine entsprechende Gestaltung auch wählen sollte. Wie oben dargestellt, ist nicht sichergestellt, dass die deutschen Gerichte die Gestaltung in jedem Fall anerkennen. Darüber hinaus sollten im Falle einer Rechtswahl zuvor eine umfassende Informationen eingeholt werden, um ungewollte Überraschungen zu vermeiden. Obwohl es in Amerika kein - dem deutschen Recht vergleichbares - Pflichtteilsrecht gibt, existieren gleichwohl Regelungen zum Schutze naher Angehöriger. Abhängig vom jeweiligen Bundesstaat, kann z.B. der überlebende Ehegatte Rechte am Gesamtnachlass, dem Familienheim oder auch den Haushaltsgegenständen geltend machen. 

So bleibt festzuhalten, dass eine Rechtswahl nicht aus dem alleinigen Motiv der Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen getroffen werden soll. Die Nachlassgestaltung ist ein Gesamtwerk und eine Rechtswahl kann Möglichkeiten der Gestaltung eröffnen, aber auch ausschließen. Wichtig ist in jedem Fall, sich vor der Rechtswahl umfassend beraten zu lassen. Und selbst dann, ist nicht gesichert, dass die gewählte Gestaltung gerichtlich anerkannt wird. 

Die Rechtswahl ist also kein Allheilmittel, sondern nur eines neben vielen Instrumenten zur Nachlassgestaltung, die dem Erblasser zur Verfügung stehen und es kommt auf den Einzelfall an, wie den Wünschen des Erblassers am besten Wirkung verliehen werden kann.

 

 

 

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