Muss die Erbschaft angenommen werden?

 

Verstirbt der Erblasser, hat der Erbe drei Optionen, um auf die Erbschaft zu reagieren:

 

  1. Uneingeschränkte Annahme oder
  2. Annahme unter Beschränkung der Haftung auf den Nachlass oder
  3. Ausschlagung

 

Gemäß Art. 770 Code civil, kann der Erbe seine diesbezügliche Wahl erst nach dem Eintreten des Erbfalls treffen. Eine wie im deutschen Recht zulässige Möglichkeit des Erbverzichts ist nach französischem Recht nicht möglich.

 

Ab dem Zeitpunkt des Erbfalls, hat der potenzielle Erbe vier Monate Zeit, um sich zu erklären, Art. 771 I Code civil. Nach der Frist kann er zur Erklärung aufgefordert werden, Art. 771 II Code civil. Verstreichen nach der Aufforderung zwei Monate, ohne, dass der Erbe sich erklärt hat, wird die Annahme der Erbschaft – und damit auch aller Nachlassverbindlichkeiten – fingiert, Art. 772 II Code civil. Die Erbschaft gilt als angenommen.

 

Was ist eine uneingeschränkte Annahme der Erbschaft?

 

Die uneingeschränkte Annahme im Sinne des Art. 782 ff Code civil hat zur Folge, dass der Erbe endgültig in die Rechte- und Pflichtenstellung des Erblassers eintritt und das Eigenvermögen und das Nachlassvermögen sich vermischen.

 

1. Uneingeschränkte Annahme für Minderjährige

Ein gesetzlicher Vertreter eines Minderjährigen benötigt für die Annahme der Erbschaft eine vorherige Zustimmung des Familiengerichts (nach Art. 387 I Nr. 5 Code Civil), da die Annahme für den Minderjährigen möglicherweise nachteilige Konsequenzen haben könnte.

Sollte der Minderjährigen seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union haben, sind die Gerichte des jeweiligen Staates zuständig. Diese wenden nach Art. 15 I des Haager Übereinkommens über den Schutz von Kindern (KSÜ) ihr eigenes Recht an.

 

2. Endgültigkeit der uneingeschränkten Annahme

Ist die Erbschaft einmal angenommen, kann diese nicht mehr ausgeschlagen werden, Art. 786 I Code civil.

Nur in sehr engen Grenzen besteht die Möglichkeit für die Erben gemäß Art. 786 II, III Code civil von der uneingeschränkten Annahme der eingegangenen Nachlassverbindlichkeit befreit zu werden. Der Antrag auf Befreiung von Nachlassverbindlichkeit hat bei dem französischen Landgericht Erfolg, wenn:

 

  • Der Erbe sich zum Zeitpunkt der Annahme der Erbschaft schuldlos in Unkenntnis über das Bestehen von Nachlassverbindlichkeiten befand und

 

  • Das Begleichen der Nachlassverbindlichkeiten das Vermögen des Erben einer schweren Gefährdung aussetzt.

 

Der Antrag muss innerhalb von fünf Monaten ab Kenntniserlangung von dem Bestehen der Nachlassverbindlichkeiten erfolgen.

 
3. Verfahren bei der uneingeschränkten Annahme

 

Die Annahmeerklärung kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen (Art. 782 S. 1 Code civil). Eine ausdrückliche Annahmeerklärung erfolgt schriftlich in Form einer öffentlichen oder privatschriftlichen Urkunde (Art. 782 S. 2 Code civil).

 

Die konkludente Annahme kann in Handlungen angesehen werden, die der potenzielle Erblasser vornimmt, die notwendigerweise darauf schließen lassen, dass er die Erbschaft annimmt (Art. 782 S. 3 code civil). Eine Annahme kann nicht angenommen werden, wenn Handlungen vorgenommen werden, die Angelegenheiten der laufenden Verwaltung des Nachlasses sind, welche notwendig sind, um Schaden von dem Nachlass abzuwenden.

 

Die Entgegenahme von Mietzahlungen kann beispielsweise nicht als konkludente Annahme gesehen werden. Dagegen ist der Verkauf der sich im Nachlass befindlichen Immobilie als Annahme anzuerkennen.

 

Was ist unter eine Annahme unter Vorbehalt der Haftungsbeschränkung zu verstehen?

 

Eine Annahme unter Vorbehalt hat zur Folge, dass Nachlassvermögen und Eigenvermögen getrennt voneinander weiterbestehen und daher Gläubiger des Erblassers nicht auf das Eigenvermögen zugreifen können. Diese Art der Annahme führt dazu, dass die Erbengemeinschaft lediglich für Nachlassverbindlichkeiten in Höhe der Aktiva des Nachlasses haftet.

 

In der Praxis wird jedoch am häufigsten die Ausschlagung gewählt, wenn zu befürchten ist, dass die Nachlassverbindlichkeiten höher als das Nachlassvermögen sind.

 

1. Erklärung für Minderjährige

Die Annahme unter Vorbehalt der Haftungsbeschränkung stellt keinen vermögensrechtlichen Nachteil für den Minderjährigen dar, daher ist eine Zustimmung des Familiengerichts nicht notwendig.

 

2. Möglichkeit der Umwandlung in eine uneingeschränkte Annahme

Solange das Annahmerecht nicht verjährt ist (ohne Aufforderung nach 10 Jahren ab Eintritt des Erbfalls), kann die Annahme unter Beschränkung der Haftung widerrufen und durch eine uneingeschränkte Annahme ersetzt werden (Art. 801 I Code civil).

 

3. Verfahren der Annahme unter Beschränkung der Haftung

Die Annahme unter Beschränkung der Haftung bedarf keiner Form. Es bietet sich jedoch die Verwendung des Formulars der französischen Regierung an.

 

Die Annahmeerklärung ist an die Geschäftsstelle des französischen Landgerichts (Tribunal de grande instance) oder – für die Départements Bas-Rhin, Haut-Rhin und Moselle, wo Lokalrecht gilt – des Amtsgerichts (Tribunal d’instance) des letzten Wohnsitzes des Erblassers zu richten, andernfalls an das Gericht, in dessen Bezirk das zum Nachlass gehörendes Grundstück belegen ist. Sie kann ebenfalls vor einem Notar abgegeben werden.

 

Darüber hinaus ist notwendig, dass ein Nachlassinventar, also ein Vermögensverzeichnis über das Erbvermögen von einem gerichtlich bestellten Auktionator, Gerichtsvollzieher oder einem Notar erstellt wird. Dieses muss der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts binnen zwei Monate ab Zugang der Annahmeerklärung vorgelegt werden. Es kann jedoch eine Fristverlängerung gewährt werden. Ein Verstreichen dieser Frist hat zur Folge, dass der Erbe so behandelt wird, als ob er die Erbschaft vorbehaltslos angenommen habe. Auch eine vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Erklärung im Nachlassinventar führt zu einer vorbehaltslosen Annahme der Erbschaft.

 

Das Nachlassinventar wird zwecks Unterrichtung der Nachlassgläubiger im offiziellen Anzeiger für Zivil- und Handelssachen veröffentlicht. Die hierbei anfallenden Kosten hat der potenzielle Erbe vorzustrecken, jedoch stellt dieses eine Nachlassverbindlichkeit dar (Art. 803 Code civil).

 

Ab Veröffentlichung des Nachlassinventars haben Nachlassgläubiger 15 Monate Zeit, um ihre Forderungen zu melden (Art. 792 II Code civil). Dieses erfolgt durch Mitteilung gegenüber den Erben an dessen Wohnsitz. Ist die Frist verstrichen, erlöschen nicht angemeldete Nachlassverbindlichkeiten, wenn diese nicht durch einzelne Nachlassgegenstände besichert worden sind. Während dieser Frist kann sich der Erbe ebenfalls dazu entscheiden einzelne Nachlassgegenstände zu behalten oder diese zu veräußern. Der entsprechende Wert muss in den Nachlassinventar eingefügt werden.

 

Wie erfolgt die Ausschlagung der Erbschaft?

 

Der Ausschlagende wird so behandelt, als sei er nie Erbe geworden, Art. 805 I Code civil. Er haftet nicht für die Nachlassschulden, kann aber je nach seiner finanziellen Situation zur Begleichung der Beerdigungskosten herangezogen werden, Art. 806 Code civil. 

 

1. Ausschlagung für Minderjährige

Ein gesetzlicher Vertreter eines Minderjährigen bedarf für die dessen Ausschlagung eine vorherige Zustimmung durch das Familiengericht (Art. 387 I Nr.4 Code civil).

 

2. Endgültigkeit der Ausschlagung

Binnen der zehnjährigen Verjährungsfrist kann der Ausschlagende die uneingeschränkte Annahme erklären, wenn in der Zwischenzeit kein anderer Erbe die Erbschaft angenommen hat.

 

3. Verfahren der Ausschlagung

Die Ausschlagung muss gegenüber dem Tribunal de grande instance oder einem Notar abgegeben werden. Sie kann auch mündlich erfolgen, muss aber ausdrücklich geäußert werden, Art. 804 I Code civil.

 

 

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