Eröffnung von im Ausland hinterlegten Testamenten in Deutschland

Nicht selten stellt sich die Frage, wie mit einem Testament verfahren werden soll, dass nicht in dem Staat verfasst wurde, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Es soll daher erläutert werden, welche Möglichkeiten den Begünstigten in solchen Fällen offenstehen und wie mit „ausländischen“ Testamenten zu verfahren ist.

Der letzte gewöhnliche Aufenthalt ist deshalb von Bedeutung, weil dieser nach Art. 4 der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) grundsätzlich bestimmt, in welchem Staat Verfahren betreffend den Nachlass zu führen und allgemein gerichtliche oder notarielle Anordnungen und Entscheidungen zu treffen sind.

  1. Sind alle Testamente zu eröffnen, die der Erblasser hinterlassen hat?

Sind in einem Erbfall die deutschen Gerichte zuständig, so beginnt „der Erbfall“ in der Regel mit der Eröffnung der letztwilligen Verfügungen, die der Erblasser in Testamenten oder Erbverträgen getroffen hat. Dabei kommt es häufig vor, dass der Erblasser nicht nur ein einziges Testament, sondern gleich mehrere Testamente im Laufe seines Lebens errichtet hat. - in der Regel mit einem gewissen zeitlichen Abstand. Unabhängig davon, wann die einzelnen Testamente errichtet wurden und unabhängig von deren Inhalt, sind sämtliche Testamente, die im Zeitpunkt des Todes existieren vom Nachlassgericht zu eröffnen. Das Nachlassgericht eröffnet also nicht nur das zeitlich letzte Testament. Auch wenn ein Testament ausdrücklich in einem späteren Testament widerrufen wurde, ist dieses widerrufene Testament dennoch zu eröffnen. Ob ein Testament wirksam errichtet wurde oder nicht, ob es widerrufen wurde oder nicht und in welchem Verhältnis mehrere Testamente zu einander stehen, ist nämlich nicht im Rahmen des Testamentseröffnungsverfahrens zu klären.

  1. Werden Testamente automatisch vom Nachlassgericht eröffnet?

Das Nachlassgericht eröffnet die vom Erblasser in Testamenten oder Erbverträgen getroffenen letztwilligen Verfügungen im Todesfall nicht automatisch. Weder gibt es seitens des Arztes, der den Tod attestiert  noch seitens des Standesamtes eine automatische Meldung an das jeweilige Nachlassgericht. Selbst wenn das Gericht über einen Todesfall informiert wird, erfolgt nicht automatisch eine Eröffnung der letztwilligen Verfügungen. Sind die Testamente nicht hinterlegt, so hat das Gericht von deren Existenz noch nicht einmal Kenntnis. Jedenfalls nach deutschem Recht ist eine Hinterlegung von Testamenten keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Vielfach werden Testamente zu Hause aufbewahrt oder Familienangehörigen zur Aufbewahrung gegeben – auch wenn dies schon wegen der Verlustgefahr nicht zu empfehlen ist.

Damit das Nachlassgericht überhaupt von der Existenz dieser Testamente erfährt und die Testamente eröffnen kann, bestimmt § 2259 BGB, dass derjenige, der ein Testament im Besitz hat, verpflichtet ist, es unverzüglich, nachdem er von dem Tode des Erblassers Kenntnis erlangt hat, an das Nachlassgericht abzuliefern. Befindet sich das Testament in gerichtlicher Verwahrung so erübrigt sich diese Verpflichtung. Befindet sich ein Testament bei einer anderen Behörde als einem Gericht in amtlicher Verwahrung, so ist es ebenfalls nach dem Tode des Erblassers an das Nachlassgericht abzuliefern. § 2259 Abs. 2 BGB bestimmt, dass das Nachlassgericht die Ablieferung zu veranlassen hat, wenn es von dem Testament Kenntnis erlangt.

  1. Sind auch Testamente, die sich im Ausland befinden, vom deutschen Nachlassgericht zu eröffnen?

Die sich aus der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) ergebende Zuständigkeit ist inhaltlich sehr weitgehend. Die Zuständigkeit nach Art. 4 EuErbVO erstreckt sich grundsätzlich auf alle Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass. „Entscheidung“ ist dabei jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats in einer Erbsache erlassene Entscheidung ungeachtet ihrer Bezeichnung.

Dies spricht dafür, dass dann, wenn ein deutsches Nachlassgericht nach der EuErbVO insgesamt zuständig ist, sich diese Zuständigkeit auch auf das Testamentseröffnungsverfahren erstreckt. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die Zuständigkeitsregelungen der EuErbVO für die Eröffnung von Testamenten keine Anwendung finden. Es handele sich um einen tatsächlichen Verfahrensvorgang, ohne regelnde oder gestaltende Wirkung für den gesamten Nachlass (so das Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 26.05.2020 – 21 SV 2/20). Ob man dem folgen kann, ist vor dem Hintergrund der weitgehenden Definition des Begriffs der Entscheidung in der EuErbVO und auch den erheblichen rechtlichen Wirkungen, die durch eine Eröffnung nach deutschem Erbrecht in Gang gesetzt werden, fraglich.

  1. Genügt die Übermittlung von beglaubigten Kopien eines im Ausland befindlichen Testamentes zur Eröffnung?

In der Praxis kann sich die Eröffnung von Testamenten, die sich im Ausland befinden, als problematisch darstellen. Schwierigkeiten entstehen insbesondere dann, wenn die Testamente im Ausland beurkundet wurden und die Urschrift dort bei einem Gericht oder von einem Notar verwahrt wird.

Grundsätzlich ist vom Nachlassgericht stets das Original des Testaments zu eröffnen. Aus diesem Grund ist ein Testament, dass sich nicht ohnehin schon im Original in amtlicher Verwahrung befindet, von demjenigen, der es in Besitz hat, im Original beim Nachlassgericht abzuliefern. Handelt es sich allerdings um ein von einem deutschen Notar errichtetes Testament, so geben auch deutsche Notare die Urschrift des von ihnen beurkundeten Testamentes nicht an das Nachlassgericht heraus. Vielmehr erteilt der Notar eine Ausfertigung. Bei der Ausfertigung handelt es sich weder um die Urschrift noch um eine beglaubigte Kopie, sondern um eine Zweitschrift der Urschrift. Ausfertigungen erteilt grundsätzlich die Stelle bei der die Urkunde verwahrt wird, gemäß § 48 BeurkG. Bei einem Notar verbleibt das Original, die Urschrift in seiner Urkundensammlung. So wie deutsche Notare werden auch ausländische Notare sich in der Regel weigern, die bei ihnen aufbewahrte Urschrift des von ihnen beurkundeten Testamentes herauszugeben. Es ist jedoch auch kaum möglich, von ausländischen Notaren eine Ausfertigung nach deutschem Verständnis zu erhalten. Ausländischen Notaren ist die Unterscheidung zwischen beglaubigter Abschrift und Ausfertigung meist nicht verständlich und auch kaum zu erklären. Hinzu kommt, dass es in vielen Rechtsordnungen ein dem deutschen Eröffnungsverfahren vergleichbares Verfahren gar nicht gibt. Eine Testamentseröffnung im Sinne des deutschen Rechts gibt es z.B. in Spanien nicht. In Spanien erteilt der beurkundende Notar, der das Original des Testaments verwahrt, in der Regel nur eine beglaubigte Kopie (copia autorizada).

Trotz der Schwierigkeiten verlangen viele Nachlassgerichte in Deutschland - jedenfalls im Rahmen eines Erbscheinerteilungsverfahrens, dass auch im Ausland verwahrte Testamente im Original vorgelegt werden, damit diese in Deutschland zunächst eröffnet werden. Das Nachlassgericht in Deutschland erfährt von den im Ausland verwahrten Testamenten in der Regel spätestens im Rahmen des Erbscheinerteilungsverfahrens, weil der Antragsteller im Antrag anzugeben hat, ob er von (weiteren) letztwilligen Verfügungen Kenntnis hat und diese Angabe auch an Eides statt versichern muss. Der Antragsteller im Erbscheinerteilungsverfahren hat daher auch im Ausland befindliche Testamente, von denen er Kenntnis hat, anzugeben.

Ob die Übermittlung von beglaubigten Kopien eines im Ausland befindlichen Testamentes zur Eröffnung genügt, wenn kein der deutschen Ausfertigung vergleichbares Dokument zu erlangen ist, ist gerichtlich noch nicht geklärt. Es bedarf hier stets genauer Abstimmung mit dem Nachlassgericht und einer sorgsamen Formulierung der Bitte an den Notar oder das Gericht im Ausland zur Übermittlung des von ihm verwahrten Testamentes.

 

 

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