Die Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Rechtswahl

 

Dieser Beitrag baut auf dem Artikel zu den Zuständigkeiten nach der europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) auf und soll genauere Einblicke in das System der Zuständigkeiten der Gerichte bei Rechtswahl geben.

 

Gründe für die Regelungen

 

Die Artikel 5-9 EuErbVO enthalten spezielle Zuständigkeitsvorschriften für den Fall, dass der Erblasser eine Rechtswahl getroffen hat. Grundsätzlich bleibt es aber dabei, dass auch dann, wenn der Erblasser eine Rechtswahl getroffen hat, grundsätzlich die Gerichte des Staates zuständig sind, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Bestimmt z.B. ein in Spanien lebender deutscher Staatsangehöriger in seinem Testament, dass auf seinen Erbfall deutsches Recht Anwendung finden soll, blieben im Erbfall dennoch die spanischen Gerichte zuständig, z.B. für die Ausstellung eines europäischen Nachlasszeugnisses. Die deutschen Gerichte dürften grds. auch keinen Erbschein ausstellen, selbst dann nicht, wenn zum Nachlass gehörende Immobilien in Deutschland belegen sind und/oder die Erben in Deutschland leben. 

Dies ist insofern problematisch, als nach Erwägungsgrund 27 der Verordnung die Behörden eines Staates möglichst ihr eigenes Recht anwenden sollten. Um den Gleichlauf zwischen Zuständigkeit (forum) und dem anwendbaren Recht (ius) wiederherzustellen, wurden daher die speziellen Regelungen der Artikel 5 ff. EuErbVO geschaffen.

 

Inhalt der Regelungen

 

Nach Artikel 5 EuErbVO können die beteiligten Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung schließen. Die Voraussetzung für eine solche Vereinbarung sind in Absatz 2 aufgeführt. Sie muss schriftlich geschlossen, datiert und von allen Beteiligten unterzeichnet werden. 

 

Wer die beteiligten Personen sind, wird in Erwägungsgrund 28 konkretisiert. Danach muss die Gerichtsstandsvereinbarung nicht zwischen sämtlichen von dem Nachlass betroffenen Parteien geschlossen werden. Es genügt, dass sie zwischen denjenigen Parteien vereinbart wird, deren Rechte durch die Entscheidung des Gerichts, betreffend den spezifischen Verfahrensgegenstand, berührt werden. Es ist also spezifisch der Verfahrensgegenstand zu untersuchen. 

 

Der Gleichlauf von anwendbarem Recht und Zuständigkeit kann auch dadurch hergestellt werden, dass sich die Gerichte des Staates, die eigentlich nach Art. 4 EuErbVO zuständig wären, auf Antrag für unzuständig erklären (Art. 6 EuErbVO). Voraussetzung hierfür ist, dass das angerufene Gericht der Auffassung ist, dass die Gerichte des Staates des gewählten Rechts die Erbsache besser entscheiden können, etwa weil Vermögenswerte dort belegen sind oder weil eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Artikel 5 EuErbVO besteht. In dem obigen Beispielfall, in dem ein in Spanien lebender deutscher Staatsangehöriger in seinem Testament bestimmt hat, dass auf seinen Erbfall deutsches Recht Anwendung finden soll, könnten sich die spanischen Gerichte auf Antrag hin für unzuständig erklären, wenn Sie zu dem Ergebnis gelangen, dass die deutschen Gerichte besser geeignet sind, um über den Verfahrensgegenstand zu entscheiden, etwa weil der überwiegende oder komplexere Teil des Nachlassvermögens in Deutschland gelegen ist und auch die Erben in Deutschland leben. 

 

Wenn dies geschehen ist, sich also die eigentlich nach Art 4 EuErbVO zuständigen Gerichte für unzuständig erklärt haben, sind gemäß Art. 7 Alt. a) EuErbVO die Gerichte des Staates zuständig, dessen Recht der Erblasser gewählt hat. 

 

Die Zuständigkeit der Gerichte des Staates des vom Erblasser gewählten Rechts kann sich auch dadurch ergeben, dass die Verfahrensparteien die Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates nach Art 5 EuErbVO vereinbart haben (Art. 7 Alt. b) EuErbVO oder alle Verfahrensparteien die Zuständigkeit anerkannt haben (Art. 7 Alt c) EuErbVO). 

 

Praktische Probleme

 

Aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Zuständigkeitsregelungen können sich in der Praxis viele Probleme ergeben.

 

1. Die Schwierigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung

 

Um eine Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen, müssen alle Beteiligten zustimmen. Wie oben dargestellt, sind dies alle Personen, die durch den Verfahrensgegenstand unmittelbar betroffen sind. Die Interessenlage mag unter den Beteiligten jedoch unterschiedlich sein. Eine Zustimmung ist daher keinesfalls gewiss. Daher besteht nach Art. 6 EuErbVO die Möglichkeit, als einzelner Beteiligter einen Antrag zu stellen. In der Folge kann sich das Gericht dann für unzuständig erklären. Dies ist eine Ermessensentscheidung, bei der berücksichtigt wird, ob andere Gerichte die Sache besser entscheiden können. Alleine aus dem Erfordernis des Antrags ergeben sich aber weitere Schwierigkeiten.

 

2. Die Ermittlung der zuständigen ausländischen Gerichte

 

Um den Antrag stellen zu können, ist zunächst das zuständige Gericht zu ermitteln. Dabei ist die internationale, örtliche, sachliche und instanzielle Zuständigkeit zu berücksichtigen. Dies setzt Kenntnisse des jeweiligen Prozessrechts voraus und kann nur mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Rechtsanwälten funktionieren.

 

3. Die Schwierigkeit der Verfahrensführung im Ausland

 

Ist das zuständige Gericht ermittelt, müssen entsprechende Anträge eingereicht und mit dem Gericht korrespondiert werden. Neben dem Problem der Befolgung des jeweiligen Prozessrechts stellen sich Sprachprobleme und die Schwierigkeit der Verfahrensführung aus der Distanz. Auch an dieser Stelle ist es daher praktisch unabdingbar, mit Anwälten vor Ort zusammenzuarbeiten, um den Interessen des Mandanten am besten zu dienen.

 

Was passiert, wenn sich ein ausländisches Gericht für unzuständig erklärt hat?

 

Wurden die oben dargestellten Probleme bewältigt und der Antrag auf Erklärung der Unzuständigkeit bewilligt, sind in der Folge die Gerichte des Mitgliedsstaats zuständig, dessen Recht nach der Rechtswahl des Erblassers anwendbar ist.

 

In der Folge ist dann deren örtliche und sachliche Zuständigkeit zu ermitteln. Diese unterscheidet sich nach ZPO- und FamFG-Verfahren:

 

Örtliche Zuständigkeit in ZPO-Verfahren

 

Für den Fall, dass sich ein eigentlich zuständiges ausländisches Gericht (aus deutscher Perspektive) gemäß Art 6 EuErbVO für unzuständig erklärt hat, weil der Erblasser deutsches Recht gewählt hat und das ausländische Gericht zu der Auffassung gelangt ist, dass die deutschen Gerichte besser geeignet sind, um über den Verfahrensgegenstand zu entscheiden, stellt sich die Frage, welches Gericht in Deutschland dann zuständig ist. Diese innerdeutsche Zuständigkeit wird nicht in der EuErbVO geregelt, sondern bestimmt sich nach innerdeutschem Recht. Gemäß § 2 Abs. 4 IntErbRVG ist das Gericht örtlich zuständig ist, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Hatte der Erblasser keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ist das Amtsgericht Berlin-Schöneberg örtlich zuständig.

Auch für den Fall, dass die Verfahrensparteien die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts nach Art 7 b EuErbVO vereinbart haben, ergibt sich die innerdeutsche Zuständigkeit aus § 2 IntErbRVO. 

Im Falle einer Anerkennung der internationalen Zuständigkeit eines deutschen Gerichts gemäß Art. 7 lit. c EuErbVO iVm. § 2 Abs. 2 IntErbRVG ist das angerufene Gericht, dessen Zuständigkeit die Verfahrensparteien ausdrücklich anerkannt haben, auch örtlich ausschließlich zuständig.

 

Sachliche Zuständigkeit in ZPO-Verfahren

 

Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften, also nach Maßgabe von §§ 71, 23 Nr. 1 GVG. Insbesondere begründet auch Abs. 4 S. 3 keine sachliche Zuständigkeit des AG Schöneberg. Dieser Satz regelt nur eine subsidiäre örtliche Auffangzuständigkeit, so dass sich die dort geregelte örtliche Zuständigkeit auch auf das LG Berlin beziehen kann, was im Einzelfall zu ermitteln ist.

 

Örtliche Zuständigkeit in FamFG-Verfahren

 

Anknüpfungsnorm für FamFG-Verfahren ist § 47 IntErbRVG. Dieser verweist allerdings für die Wahlzuständigkeiten auf § 2 IntErbRVG, sodass die obigen Ausführungen entsprechend gelten. Falls die Zuständigkeit nicht nach Wahl der Parteien erfolgt, gelten die Regelungen des FamFG direkt (§ 47 Nr. 2 IntErbRVG). Damit gilt § 343 FamFG, der allerdings sinngleiche Regelungen wie § 2 Abs. 4 IntErbRVG enthält. Es kommt in subsidiärer Anknüpfung auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers, anderenfalls auf dessen letzten gewöhnlichen Aufenthalt an. Hilfsweise ist das Amtsgericht Berlin-Schöneberg örtlich zuständig.

 

Sachliche Zuständigkeit in FamFG-Verfahren

 

Die Ausführungen zum ZPO-Verfahren gelten entsprechend.

 

Ergebnis

 

Bei der Prüfung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit deutscher Gerichte ist der Verfahrensgegenstand zu beachten. Dieser entscheidet ob das Zivilprozessrecht oder das Prozessrecht der Freien Gerichtsbarkeit Anwendung findet. Auch das deutsche Prozessrecht stellt auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers ab. Ob dieser Begriff identisch mit dem unionsrechtlichen Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist, ist fraglich. Jedenfalls findet die EuErbVO für die Auslegung keine Anwendung, da sie nur das Kollisions- und Zuständigkeitsrecht regelt. Begriffe der lex fori, die ausschließlich die innerstaatliche Zuständigkeit regeln, werden autonom ausgelegt. Bei Entscheidungen deutscher Gerichte ist aber erkennbar, dass sie die Begriffe identisch auslegen (vgl. zuletzt: Beschluss des OLG Celle).

 

 

 

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