Anwendbares Recht nach der EuErbVO

Welches Erbrecht anwendbar ist, bestimmt sich nach den Regeln des Internationalen Erbrechts. Vor Anwendbarkeit der europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) galten ausschließlich das Internationale Privatrecht der Nationalstaaten und völkerrechtliche Abkommen. Nach den deutschen Regelungen bemaß sich das anwendbare Erbrecht nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers, Art. 25 Abs. 1 EGBGB (alte Fassung).

Für Erbfälle ab dem 17. August 2015 gilt dagegen die europäische Erbrechtsverordnung. Die Verordnung soll eine verbesserte Abwicklung von Erbfällen mit Auslandsbezug in der Europäischen Union ermöglichen. Sie gilt für alle Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Großbritannien. 

 

Was regelt die EuErbVO nicht?

Die europäische Erbrechtsverordnung hat unter anderem keinen Einfluss auf:

  • Fragen des Gesellschaftsrechts (Artikel 1 Absatz 2 Buchst. h) EuErbVO),
  • das eheliche Güterrecht und Unterhaltspflichten (Artikel 1 Absatz 2 Buchst. d) und e) EuErbVO) oder auch
  • steuerrechtliche Fragestellungen, Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 EuErbVO. 

 

Weitere vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommene Bereiche sind in Artikel 1 Absatz 2 EuErbVO aufgeführt. 

 

Nach welchen Kriterien bestimmt sich das anwendbare Recht?

Nach Artikel 21 Absatz 1 EuErbVO unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Mitgliedsstaates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist nicht genau definiert. Daher müssen Rechtsprechung und Literatur den Begriff interpretieren. Unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe 23 und 24 EuErbVO kommt es entscheidend auf den tatsächlichen Lebensmittelpunkt der betroffenen Person an, der unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln ist.

Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts erfordert eine gewisse physische Präsenz an einem Ort. Kriterien wie die soziale und kulturelle Integration können ergänzend herangezogen werden, wenn eine genaue Zuordnung zu einem Staat nicht durchgeführt werden kann. Sie sind jedoch keine zwingenden Kriterien.

Unstreitig wird darüber hinaus ein Aufenthaltswille gefordert. Der Erblasser muss sich bewusst und willentlich an einem Ort aufhalten. Eine Verbringung gegen den Willen einer Person kann seinen gewöhnlichen Aufenthalt grundsätzlich nicht verändern.

Ob der Aufenthaltswille eine rechtsgeschäftliche Geschäftsfähigkeit voraussetzt, ist fraglich. Das OLG München hat in einer Entscheidung gefordert, dass der Erblasser im Rechtsverkehr geschäftsfähig sein muss. In praktischer Konsequenz hieße dies, dass der geschäftsunfähige Erblasser keinen neuen Aufenthalt begründen kann. So könnte etwa ein minderjähriger Erblasser keinen eigenen gewöhnlichen Aufenthalt begründen. In einer Entscheidung des EuGH zur Brüssel IIa-Verordnung argumentierte das Gericht aber, sogar ein Säugling könne - vertreten durch seine Mutter - seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Staat verlegen. Zu betonen ist zwar, dass die Entscheidung zu einer anderen Verordnung erging, im europäischen Recht gilt aber das Gebot der Einheitlichkeit und der effektiven Durchsetzung der Rechtsordnung. Daher kann davon ausgegangen werden, dass ein Begriff nicht in verschiedenen Verordnungen völlig anders interpretiert wird. Dies spricht dafür, dass für geschäftsunfähige Personen die rechtlichen Vertreter den gewöhnlichen Aufenthalt festlegen können.

Abweichend zu Artikel 21 Absatz 1 EuErbVO bietet Absatz 2 eine Korrekturmöglichkeit. Wenn der Erblasser eine engere Verbindung zu einem anderen Staat als zu dem hatte, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, kann das Erbrecht dieses Staates angewendet werden. 

Mögliche Anwendungsfälle für diese Klausel sind etwa sogenannte „Mallorca-Rentner“ oder Missbrauchsfälle durch den Vertreter eines geschäftsunfähigen Erblassers. Ergibt sich bei Berücksichtigung spezieller Umstände, wie z.B. dem einzigen Kontakt zu Angehörigen in einem anderen Land oder der Verbringung des Erblassers unter missbräuchlichen Absichten, eine engere Verbindung zu einem anderen Land, kann das Erbrecht dieses Landes angewendet werden.

 

Rechtswahl


Dem Erblasser ist zu raten, seinen Nachlass eigenverantwortlich zu planen. Dazu gehören nicht nur Anordnungen, die den Nachlass selbst betreffen. Vielmehr sollte ein Erblasser, der in einem anderen als seinem Heimatland lebt, überlegen und ggf. prüfen lassen, ob er eine Rechtswahl treffen sollte. Nach Artikel 22 Absatz 1 Unterabsatz 1 EuErbVO kann er das Erbrecht des Staates wählen, dessen Staatsangehöriger ist. Besitzt er zum Zeitpunkt seines Todes oder der Rechtswahl zwei oder mehrere Staatsangehörigkeiten, kann er sich zwischen diesen entscheiden, Unterabsatz 2. 

Die Rechtswahl kann nach Absatz 2 isoliert getroffen oder mit einer Verfügung von Todes wegen verbunden werden. Unter Umständen kann auch eine Rechtswahl durch schlüssiges (konkludentes) Verhalten angenommen werden. Eine Rechtswahl durch schlüssiges Verhalten hat das OLG Köln in einem Fall angenommen, in dem ein rumänischer Staatsangehöriger, der auch die deutsche Staatsangehörigkeit besaß und seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland hatte, in Rumänien vor einem rumänischen Notar in rumänischer Sprache unter Bezugnahme auf Vorschriften des rumänischen Rechts ein Testament errichtet hatte. Das OLG Köln hat in seiner Urteilsbegründung auf Erwägungsgrund 39 der EuErbVO hingewiesen. Danach gilt es als Indiz für eine Rechtswahl, wenn der Erblasser Bezug auf spezifische Bestimmungen des Rechtes des Staates, dem er angehört, genommen hat. Dies war im vorliegenden Fall geschehen, womit das OLG Köln eine Rechtswahl zugunsten des rumänischen Rechts angenommen hat.

 

Anwendbares Recht in Bezug auf Drittstaaten


Wie bereits dargestellt, gilt die EuErbVO für alle EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark. Über Artikel 20 EuErbVO kommt man jedoch zu einer universellen Anwendbarkeit der Regelungen der Verordnung auch in Bezug auf Drittstaaten für die teilnehmenden Mitgliedsstaaten. Hat der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt seines Todes zum Beispiel in den USA, gilt nach der EuErbVO für die Mitgliedsstaaten, dass das Recht der USA anzuwenden ist. 

Aber auch wenn das Erbrecht eines Drittstaates anwendbar ist, können Gerichte eines Mitgliedsstaates für Entscheidungen in Erbsachen zuständig sein, wenn 

  • der Erblasser die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedsstaats im Zeitpunkt seines Todes besaß oder
  • er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem betreffenden Mitgliedsstaat hatte, sofern zwischen der Änderung des Aufenthalts und der Anrufung des Gerichts nicht mehr als fünf Jahre liegen, Artikel 10 Absatz 1 EuErbVO.

Außerdem kann sich die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats nach Art. 10 Absatz 2 EuErbVO dadurch ergeben, dass das Nachlassvermögen ganz oder zum Teil in diesem Mitgliedsstaat liegt.

Beispiel: Ein deutscher Staatsangehöriger lebt in den USA und hat dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Vor seinem Umzug in die USA vor 10 Jahren erwarb er ein in Deutschland belegenes Grundstück. Er verstirbt und hinterlässt ein, nach dem jeweiligen bundesstaatlichen Recht, gültiges Testament, in dem er seinen Ehegatten zum Alleinerben einsetzt. Er hinterließ keine Kinder.

Nach Artikel 20 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 21 Absatz 1 EuErbVO ist das Erbrecht der USA anwendbar. Allerdings sind auch die deutschen Gerichte nach Artikel 10 Absatz 1 lit. a) zuständig, da der Erblasser deutscher Staatsangehöriger war. Selbst wenn der Erblasser die deutsche Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt seines Todes abgelegt hatte, wären die deutschen Gerichte im Hinblick auf das in Deutschland liegende Grundstück zuständig, Artikel 10 Absatz 2 EuErbVO. Der Nachlass wäre dennoch nach US-amerikanischem Erbrecht zu behandeln. Das deutsche Gericht müsste also bei seinen Entscheidungen amerikanisches Erbrecht zugrunde legen.

 

Anwendbares Recht in Bezug auf Mehrrechtsstaaten


Mehrrechtsstaaten im Kontext der EuErbVO sind Länder, in denen es autonome Gebiete gibt, die eigene Erbrechtsordnungen erlassen haben. Beispiele für solche Mehrrechtsstaaten sind die USA oder Spanien. In Spanien verfügen Katalonien, das Baskenland, Galizien, Navarra, die Balearen und Aragonien über eigene Erbrechte (sogenannte Foralrechte).

Artikel 36 Absatz 1 EuErbVO gibt vor, dass auch das interne Recht des betreffenden Staates beachtet werden muss. Welches Erbrecht anwendbar ist, entscheidet also der Staat, auf den die EuErbVO verweist. Gibt es solche internenen Verweisungsvorschriften in dem betreffenden Mehrrechtsstaat nicht, so ergibt sich die Zuweisung nach den besonderen Vorschriften des Artikel 36 Absatz 2 EuErbVO.

 

 

 

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