Das europäische Nachlasszeugnis


Seit dem 17. August 2015 ist die europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) auf Erbfälle mit internationalem europäischen Bezug anzuwenden. Der deutsche Erbschein wurde durch diese Verordnung um das europäische Nachlasszeugnis ergänzt. Rund um dieses Thema stellen sich Fragen, die nicht nur für Juristen relevant sind. Auf die wichtigsten und praxisrelevantesten Fragen soll hier eingegangen werden. 

  • Was ist ein Erbschein?
  • Wie unterscheidet sich das europäische Nachlasszeugnis von dem deutschen Erbschein?
  • Welches Dokument brauche ich?
  • Wo ist das europäische Nachlasszeugnis gültig?
  • Wo muss ich das europäische Nachlasszeugnis beantragen?
  • Was muss der Antrag beinhalten?
  • Welche Kosten kommen auf mich zu?
  • Was muss ich tun, wenn das Nachlasszeugnis unrichtig ist?

Was ist ein Erbschein?

Ein Erbschein ist ein Ausweisdokument, das die Stellung als Erbe oder Miterbe bezeugt. Zwar tritt der Erbe nach deutschem Recht bereits mit dem Erbfall in die Position des Erblassers und wird automatisch Eigentümer aller zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände. Hierzu bedarf es keinen gesonderten Aktes. Ein Gericht muss also nicht zuerst feststellen, dass jemand Erbe geworden ist. In der Praxis muss der Erbe dies anderen Personen aber regelmäßig nachweisen, um auf das Nachlassvermögen zuzugreifen. Mit dem Erbschein kann sich der Erbe also gegenüber anderen als solcher ausweisen.

In vielen Fällen bestehen Banken und Versicherungen auf einen Erbschein, insbesondere dann, wenn die Erbfolge nicht einfach zu erkennen ist. Würde die Bank nämlich das Guthaben ohne Erbschein an eine Person auszahlen, die tatsächlich gar nicht Erbe ist, würde sie von ihrer Zahlungspflicht nicht frei. Die Bank müsste den Betrag also an den richtigen Erben noch einmal zahlen. Wird der Bank jedoch ein Erbschein vorgelegt, so kann sie sich darauf verlassen, dass sie das Guthaben an den im Erbschein ausgewiesenen Erben auszahlen durfte. Ein Erbschein schützt also den "guten Glauben". 

Wie unterscheidet sich das europäische Nachlasszeugnis von dem deutschen Erbschein?

Der deutsche Erbschein ist grundsätzlich nur in Deutschland gültig. Im Ausland müssten Sie damit rechnen, dass Behörden, Banken und sonstige Dritte diesen nicht akzeptieren. Aus diesem Grund hat die EU das europäische Nachlasszeugnis als "europäischen Erbschein" eingeführt. Wenn Sie dieses Nachlasszeugnis beantragen, ist es in der gesamten EU (ausgenommen sind Dänemark, Irland und Großbritannien) gültig. Das heißt, Sie brauchen nicht in jedem Mitgliedsstaat einen eigenen Erbschein beantragen.

Das vereinfacht die Fälle, in denen sich der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes gewöhnlicherweise im europäischen Ausland aufgehalten hat oder sein Vermögen in mehreren Mitgliedsstaaten liegt.

Beispiel:

Sie sind Alleinerbe in einem Erbfall, der spanischem Recht unterliegt. Der Erblasser hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien. Es stellt sich heraus, dass der Erblasser Vermögen auf einem Konto einer deutschen Bank hat. Sie müssen nun in Spanien das europäische Nachlasszeugnis beantragen und können sich damit sowohl in Spanien als auch in Deutschland als Erbe ausweisen. 

Hervorzuheben ist, dass das europäische Nachlasszeugnis gemäß Art. 70 Absatz 3 EuErbVO nur eine Gültigkeitsdauer von sechs Monaten besitzt. Danach verliert es seine Beweiskraft und ist kein Nachweis über die Erbenstellung mehr. Wenn Sie das Nachlasszeugnis einmal erhalten haben, ist es also wichtig, die Erbangelegenheiten schnell zu regeln. Zwar können in Ausnahmefällen besondere Regelungen getroffen werden, im Regelfall ist jedoch eine Verlängerung des Nachlasszeugnisses nötig, was neue Kosten verursacht.

Welches Dokument brauche ich?

Ob Sie nun einen deutschen Erbschein oder das europäische Nachlasszeugnis beantragen müssen, hängt davon ab, ob das Nachlassvermögen internationale Bezüge aufweist. Zur Abwicklung eines Nachlasses, der sich allein in Deutschland befindet, ist kein europäisches Nachlasszeugnis erforderlich. Zwar müsste ein europäisches Nachlasszeugnis auch in einem rein innerstaatlichen Erbfall akzeptiert werden (Art. 62 Absatz 3 Satz 2 EuErbVO), aus praktischer Sicht empfiehlt es sich jedoch, einen deutschen Erbschein zu beantragen, da Behörden und Private in Deutschland mit dem deutschen Erbschein mehr Erfahrung haben als mit dem relativ neuen EU-Nachlasszeugnis. Sobald Sie auf Vermögen im europäischen Ausland zugreifen wollen, ist die Beantragung eines europäischen Nachlasszeugnisses ratsam. 

Die Beantragung eines Nachlasszeugnisses kann komplex sein. Welche Angaben erforderlich sind, hängt immer vom jeweiligen Einzelfall ab. Fehler im Verfahren können dazu führen, dass das Nachlasszeugnis unrichtig oder sogar gar nicht ausgestellt wird. Alleine bei der Frage, wo das Nachlasszeugnis beantragt werden muss, ist einiges zu beachten und es gilt, Fehler zu vermeiden. Wir helfen Ihnen gerne dabei, damit Sie schnell zu Ihrem Recht zu kommen.

Wo muss ich das europäische Nachlasszeugnis beantragen?

Das Nachlasszeugnis wird nicht einfach so vom Nachlassgericht ausgestellt, vielmehr müssen die Erben tätig werden. Hierzu müssen sich die Erben gemäß Art. 64 EuErbVO an ein Gericht oder eine andere öffentliche Stelle wenden, die nach innerstaatlichem Recht für Erbsachen zuständig ist. In welchem Land der Antrag einzureichen ist, hängt grundsätzlich davon ab, wo der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, Art. 4 der Verordnung. Hierbei kommt es auf die Lebensumstände des Erblassers an.

Beispiel:

Der Erblasser lebt in Deutschland und hat ein Ferienhaus in Spanien. Während der Urlaubszeit verstirbt der Erblasser. Es wurde keine Rechtswahl getroffen. Nun ist die Frage, wo der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies ist in diesem Fall Deutschland. Somit sind die deutschen Gerichte für diesen Erbfall zuständig und das europäische Nachlasszeugnis wäre bei einem deutschen Gericht zu beantragen. Die spanischen Gerichte wären für die Ausstellung eines EU-Nachlasszeugnisses gar nicht zuständig. 

Davon gibt es jedoch auch Ausnahmen. So kann der Erblasser nach Art. 22 EuErbVO eine Wahl treffen, welches Erbrecht auf seinen Erbfall anwendbar sein soll (Rechtswahl). In diesem Fall können unter Umständen die Gerichte des Staates des gewählten Rechts zuständig sein, wenn das zuerst angerufene Gericht im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts sich auf einen Antrag hin für unzuständig erklärt (Art. 7 lit.a) in Verbindung mit Art. 6 lit.a), weil es der Auffassung ist, die Gerichte des Staates des gewählten Rechts könnten über die Sache besser entscheiden. Denkbar wäre eine solche Entscheidung des Gerichts des gewöhnlichen Aufenthalts, wenn der ganz überwiegende Teil des Nachlassvermögens ebenfalls in dem Staat des gewählten Rechts belegen wären. Weitere Informationen erhalten Sie in unserem Artikel zu den gerichtlichen Zuständigkeiten nach der EuErbVO.

Wer kann den Antrag einreichen?

Gemäß Art. 65 Absatz 1 in Verbindung mit Art. 63 Absatz 1 EuErbVO können Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter den Antrag auf Ausstellung eines europäischen Nachlasszeugnisses einreichen. Das heißt insbesondere, dass kein Notar den Antrag einreichen muss. Dies gilt auch dann, wenn das nationale Recht eines Mitgliedsstaates dies eigentlich vorsieht. Insofern „überlagert“ die Verordnung das nationale Recht. 

Was muss der Antrag beinhalten?

Art. 65 Absatz 3 lit. a-m) EuErbVO stellt viele Anforderungen an den Inhalt des Antrags auf. Dazu gehören Informationen zu

  • Erblasser,
  • Ehepartner oder Partner des Erblassers,
  • Antragsteller,
  • sonstigen möglichen Berechtigten,
  • Sachverhalt, mit dem der Antragsteller seine Berechtigung am Erbe begründet, Kontaktangaben des zuständigen Gerichts,
  • einem möglichen Testament oder Erbvertrag des Erblassers,
  • einem möglichen Ehevertrag des Erblassers,
  • einer Ausschlagung oder Annahme der Erbschaft durch einen Berechtigten und
  • möglichen Erbrechtsstreitigkeiten.

 

Um diese Vorgaben einzuhalten, kann das von der EU zur Verfügung gestellte Formblatt genutzt werden. 

Zu beachten ist weiter, dass der Sachverhalt, der mit dem dem Nachlasszeugnis bestätigt werden soll, zu belegen ist. Dazu sind dem Antrag alle einschlägigen Schriftstücke beizufügen, und zwar entweder in Urschrift oder in Form einer Abschrift, die die erforderlichen Voraussetzungen für ihre Beweiskraft erfüllt, Art. 65 Absatz 3 EuErbVO. Die Einzelheiten des Verfahrens richten sich nach dem innerstaatlichen Recht des jeweiligen Mitgliedsstaates. Daher empfiehlt es sich insbesondere an dieser Stelle, sich beraten zu lassen, um Fehler zu vermeiden. Dabei helfen wir Ihnen gerne. Sollte das EU-Nachlasszeugnis in einem anderen EU-Mitgliedstaat beantragt werden müssen, übernehmen dies unsere Kollegen im jeweiligen Ausland. 

Welche Kosten kommen auf mich zu?

Die Kosten für die Erteilung des europäischen Nachlassverzeichnisses richten sich nach dem innerstaatlichen Recht des ausstellenden Mitgliedsstaates. Sie sind also in jedem Mitgliedstaat unterschiedlich. In Deutschland richten sich die Kosten nach § 40 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare (GNotG). Die Kosten bemessen sich danach, wie hoch der Erbteil ist, ob Miterben dem Nachlasszeugnis beitreten wollen und ob eine eidesstattliche Versicherung abgenommen werden muss. Weitere Kosten entstehen, wenn Sie eine Übersetzung des Nachlasszeugnisses durch einen vereidigten Übersetzer vornehmen lassen.

Beispiel (ohne Übersetzungskosten):

 

Nachlasswert

Eidesstattliche Versicherung

Erteilung des Erbscheins

Gesamt

10.000 €

45 €

45 €

90 €

100.000 €

273 €

273 €

546 €

 

Was muss ich tun, wenn das Nachlasszeugnis unrichtig ist?

Wie oben bereits dargestellt, muss der Sachverhalt bei der Beantragung entsprechend belegt werden. Dennoch kann es natürlich vorkommen, dass das Nachlasszeugnis die tatsächliche Erbfolge nicht richtig wiedergibt, z.B. wenn später eine neue letztwillige Verfügung bekannt wird, von der die Beteiligten bei Ausstellung des Nachlasszeugnisses noch nichts wussten. Wenn Sie feststellen, dass ein  Nachlasszeugnis unrichtig ist, sollten Sie die aussstellende Behörde davon in Kenntnis setzen und das in dem jeweiligen Mitgliedstaat vorgegebene Verfahren zur Außerkraftsetzung der Wirkungen des Nachlasszeugnisses betreiben. In diesem Fall sollten Sie dringend anwaltliche Unterstützung suchen. Auch hier helfen wir Ihnen gerne weiter und unterstützen Sie bei der Durchsetzung Ihrer Interessen.

 

 

 

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