Pflichtteilsrecht - Ehebedingte Zuwendung

Der Pflichtteilsberechtigte hat gegenüber den Erben neben dem Pflichtteilsanspruch, der auf der Basis des tatsächlichen Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls zu ermitteln ist, unter Umständen auch einen so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruch. Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch entsteht, wenn der Erblasser zu Lebzeiten sein Vermögen durch Schenkungen an Dritte schmälert. Der verschenkte Gegenstand wird ergänzend dem Nachlass hinzugerechnet. Damit soll verhindert werden, dass Vermögensschmälerungen zu Lebzeiten des Erblassers, denen keine Gegenleistung gegenübersteht, den Pflichtteilsanspruch verringern. Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte gemäß § 2325 Abs. 1 BGB als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.

Im Rahmen einer Ehe ist es typisch, dass sich die Eheleute gegenseitig Zuwendungen machen. Dabei handelt es sich meist nicht um Schenkungen, sondern um so genannte „ehebedingte Zuwendungen“. Eine sog. „ehebezogene unbenannte Zuwendung“ oder „ehebedingte Zuwendung“ liegt dann vor, wenn ein Ehegatte dem anderen einen Vermögenswert um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung und Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft zukommen lässt.

Nach der Rechtsprechung werden solche „ehebedingten Zuwendungen“ im Pflichtteilsrecht dann wie Schenkungen behandelt, wenn sie „objektiv unentgeltlich“ erfolgen. Diese „objektive Unentgeltlichkeit“ ist also das zentrale Unterscheidungsmerkmal und Voraussetzung dafür, dass eine Zuwendung des einen Ehegatten an den anderen Ehegatten zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruch führt bzw. für diesen relevant ist. Weil es sich hierbei aber um einen juristischen Begriff handelt, den man unterschiedlich weit verstehen kann, ist in der Praxis häufig nicht klar, ob eine Zuwendung unter Eheleuten nun „objektiv unentgeltlich“ erfolgt ist oder nicht.

Ist eine Zuwendung zur Altersabsicherung des anderen Ehegatten „objektiv unentgeltlich“ und damit pflichtteilsergänzungspflichtig?

In einer Entscheidung vom 27.09.1995 hat der BGH (Az. IV ZR 217/93) die Bestellung eines Nießbrauchs an einer Wohnung zugunsten des anderen Ehegatten im konkreten Fall als objektiv unentgeltliche Zuwendung bewertet. Der BGH hat aber auch ausgeführt, dass die Pflicht des einen Ehegatten, für eine angemessene Alterssicherung zu sorgen, der Einordnung einer Zuwendung als „unentgeltlich“ entgegenstehen kann. Dies sei allerdings nicht die Regel. Im konkreten Fall sah der BGH die Behauptung, die Zuwendung sei zur Alterssicherung erfolgt, nur als vorgeschoben an. Zudem meinte der BGH, der Empfänger sei zur Alterssicherung nicht auf die Zuwendung des Nießbrauchs angewiesen gewesen.

In der Literatur hat die Entscheidung des BGH durchaus Kritik erfahren, weil die notwendige Sicherung der ehelichen Lebensverhältnisse und damit der Schutz der verfassungsrechtlich abgesicherten Institution Ehe unberücksichtigt bleibe, wenn ehebezogene Zuwendungen im Erbrecht im Regelfall als unentgeltliche Geschäfte behandelt würden.

Das Oberlandesgericht Schleswig hat in einem Beschluss vom 16.2.2010, Az. 3 U 39/09 die Zuwendung eines Nießbrauchs zur Altersversorgung im konkreten Fall als entgeltlich bewertet und eine Auswirkung auf einen Pflichtteilsergänzungsanspruch daher verneint. Dabei hat das OLG Schleswig darauf abgestellt, dass die Alterssicherung nach den Verhältnissen, in denen die Eheleute gelebt haben, angemessen war. Die Beurteilung, ob eine Zuwendung als angemessene Alterssicherung anzusehen ist, setzt eine umfassende Würdigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten voraus, zusätzlich eine Prognose über deren voraussichtliche künftige Entwicklung. Im konkreten Fall, den das OLG Schleswig zu beurteilen hatte, hatten die Eheleute als Rentner relativ bescheidene Einkünfte (gemeinsam 1.580,00 €) Die Ehefrau und Erbin hatte einschließlich des strittigen Nießbrauchs nur ca. 1.200,00 € zur Verfügung.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 26.01.2011, Az. 19 W 52/10 die Einzahlung des Erblassers in die Privatrentenversicherung seiner Ehefrau in Höhe von 58.300,00 EUR aufgrund der relativ geringen eigenen und Witwenrente als angemessene Altersversorgung und eben nicht als pflichtteilsergänzungsrelevant bewertet.

Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 27.10.2016, Az. 10 U 61/0 die Zuwendung einer Witwenrente in Höhe von 1.500,00 DM zugunsten der Ehefrau in einem Grundstücksübertragungsvertrag trotz der Bezeichnung als Schenkung im Notarvertrag als ehebedingte Zuwendung qualifiziert und keine „Unentgeltlichkeit“ angenommen. Auch hier sah das Gericht im konkreten Fall und unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse der Eheleute die Zuwendung der Witwenrente als angemessene Alterssicherung an.

Können Unterhaltsleistungen an den Ehegatten „objektiv unentgeltlich“ und damit pflichtteilsergänzungspflichtig sein?

Nein, Unterhaltsleistungen sind keine unentgeltlichen Zuwendungen. Das Vorliegen einer ergänzungspflichtigen Schenkung i. S. v. § 2325 BGB ist deshalb unproblematisch zu verneinen, wenn der zuwendende Ehegatte durch seine Zuwendung nur einer rechtlichen Verpflichtung nachkommt, insbesondere einer Unterhaltspflicht.

Sofern also der eine Ehegatte in dem Haus oder der Wohnung wohnt, die alleine im Eigentum des anderen Ehegatten steht oder nur einer der Ehegatten die Miete für die gemeinsam bewohnte Wohnung bezahlt, so geschieht dies im Rahmen des ehelichen Unterhalts nicht unentgeltlich und führt nicht zu einer Pflichtteilsergänzung. Zum ehelichen Unterhalt gehören unter anderem die Kosten für Wohnung, Nahrung, Kleidung, medizinische Versorgung, kulturelle Bedürfnisse, Kranken- und Altersvorsorge, Urlaub usw., die in der Regel in Form des Naturalunterhalts gewährt werden. Außerdem hat jeder der Ehegatten Anspruch auf einen angemessenen Teil des Gesamteinkommens als Taschengeld, das heißt auf einen Geldbetrag, der ihm die Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse nach eigenem Gutdünken und freier Wahl unabhängig von einer Mitsprache des anderen Ehegatten ermöglichen soll (vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2012, Az. XII ZR 43/11, Rn. 26).

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