Vermächtnis – Wenn der Nachlassgegenstand nicht mehr zum Nachlass gehört

Durch eine wirksame Vermächtnisanordnung kann der Erblasser einzelne Gegenstände einem Erben oder einer dritten Person zuwenden. Hat der Erblasser eine solche Verfügung getroffen, ist meist davon auszugehen, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung beabsichtigt hatte, diesen Gegenstand auch bis zu seinem Tod zu behalten. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch, wenn der Erblasser den Vermächtnisgegenstand später doch verkauft hat oder aus anderen Gründen nicht mehr im Nachlass ist. 

 

Was gilt, wenn das Vermächtnis nach dem Eintreten des Erbfalls nicht mehr vorhanden ist?

Gemäß § 2169 Absatz 1 BGB ist das Vermächtnis eines bestimmten Gegenstands unwirksam, wenn der Gegenstand zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht zum Nachlass gehört, es sei denn, dass der Gegenstand dem Bedachten auch für den Fall zugewendet werden soll, dass er nicht zu Erbschaft gehört. Die Wirksamkeit des Vermächtnisses hängt gemäß dieser Vorschrift davon ab, welche Art von Vermächtnis der Erblasser in seinem Testament angeordnet hat. Dies ist durch Auslegung des Testaments zu ermitteln.

Hat der Erblasser ein Gattungsvermächtnis im Sinne des § 2155 BGB angeordnet, bleibt die Vermächtnisanordnung nach § 2169 Absatz 1 2. Hs. BGB wirksam. Unter einem Gattungsvermächtnis versteht man, dass der Erblasser den Vermächtnisgegenstand gemäß § 2155 Absatz 1 BGB nur der Gattung nach bestimmt ist. Wenn der Erblasser in seinem Testament ein solches Gattungsvermächtnis angeordnet hat, besteht der Anspruch des Vermächtnisnehmers auf Übertragung des Nachlassgegenstandes weiterhin.

Bestimmt der Erblasser zum Beispiel, dass sein Enkelkind zehn Goldmünzen als Vermächtnis erhalten soll, so besteht dieser Anspruch auch dann, wenn der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung Eigentümer dieser Goldmünzen war, diese Goldmünzen im Zeitpunkt des Erbfalls jedoch nicht mehr vorhanden waren. Ganz ähnlich ist es bei einem Geldvermächtnis. Hat der Erblasser etwa angeordnet, dass seine Lebensgefährtin von den Erben 100.000 Euro erhalten soll, so besteht dieser Anspruch auch dann, wenn die Kontoguthaben zum Zeitpunkt des Erbfalls geringer waren oder sogar gar kein Guthaben vorhanden war.

Anders verhält es sich, wenn der Erblasser ein Stückvermächtnis angeordnet hat. Dieses ist der Fall, wenn der Erblasser einen ganz bestimmten Gegenstand aus seinem Vermögen vermacht.

 

Beispiele: Oldtimer, Uhr, Schmuck etc.

 

Wenn ein Stückvermächtnis zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr vorhanden sein sollte, ist das Vermächtnis nach § 2169 Absatz 1 unwirksam.

 

Habe ich als Vermächtnisnehmer Ansprüche, wenn der Vermächtnisgegenstand nicht mehr vorhanden ist?

Ob der Vermächtnisnehmer etwaige Ersatzansprüche hat, ist durch Auslegung der Vermächtnisanordnung zu ermitteln.  Für den Fall, dass der Erblasser selbst zwar noch nicht Eigentümer des Vermächtnisgegenstandes war, aber einen Anspruch hierauf hatte, ist gemäß § 2169 Absatz 3 BGB im Zweifel anzunehmen, dass dieser Anspruch auf den Vermächtnisnehmer übergegangen ist. Hat beispielsweise der Erblasser noch vor seinem Tod ein neues Auto bestellt, welches bis zu seinem Tod nicht geliefert wurde, so geht der Anspruch auf diesen PKW auf den Vermächtnisnehmer über. Auch dann, wenn der Vermächtnisgegenstand untergegangen ist und der Erblasser deshalb einen Ersatzanspruch erworben hat, geht dieser Ersatzanspruch im Zweifel auf den Vermächtnisnehmer über, dem der Erblasser den untergegangenen Vermächtnisgegenstand vermacht hatte.

 

Glossar