Erbvertrag: Herausgabe von beeinträchtigenden Schenkungen
Sind Schenkungen trotz Erbvertrag wirksam?
Wenn Ehegatten sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und zugleich die Erben des Letztversterbenden bestimmen (häufig die Kinder), bleibt der überlebende Ehegatte grundsätzlich frei, zu Lebzeiten über sein Vermögen zu verfügen. Der überlebende Ehegatte ist nicht daran gehindert, das eigene Vermögen und das durch die Erbschaft nach dem erstversterbenden Ehegatten hinzugewonnene Vermögen auszugeben.
Sofern der überlebende Ehegatte jedoch zu Lebzeiten Schenkungen zugunsten anderer Personen vornimmt, kann die Schenkung dem Vertragserben gegenüber unwirksam sein.
Wann kann der Vertragserbe die Herausgabe des Geschenks verlangen?
Der Vertragserbe kann aber in jedem Fall erst nach dem Tod des Erblassers die Herausgabe des Geschenks vom Beschenkten verlangen. So bestimmt § 2287 BGB, dass der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern kann, wenn der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht hat.
Was ist Voraussetzung für einen Anspruch des Vertragserben auf Herausgabe der Schenkung?
Wesentliche Voraussetzung des Anspruchs gegen den Beschenkten, ist also die Absicht des Erben, den Vertragserben zu benachteiligen. Da die Benachteiligungsabsicht mit der Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, meist untrennbar verbunden ist, wäre sie - von Ausnahmefällen abgesehen - in einer solchen Lage praktisch immer gegeben. Dennoch soll § 2287 BGB nach der Auffassung des BGH nicht zwangsläufig bei jeder Schenkung eingreifen (siehe BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - IV ZR 72/11). Voraussetzung eines Anspruchs der Erben gegen den Beschenkten ist vielmehr, dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat. Ein solcher Missbrauch liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte. Allgemein will der BGH ein lebzeitiges Eigeninteresse annehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint. Ein derartiges Interesse kommt etwa dann in Betracht, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege geht (BGH, Urteil vom 27. Januar 1982 - IVa ZR 240/80) oder wenn der Erblasser in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelt, er etwa mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten will
Bei der Prüfung des lebzeitigen Eigeninteresses sind die konkreten Lebensumstände im Einzelfall bedeutsam. Die Gerichte haben zu prüfen, ob die Schenkung tatsächlich im Interesse des Erblassers erfolgte oder nur um den Erbvertrag zuungunsten des Vertragserben zu korrigieren. So führt beispielsweise das OLG Celle in seinem Beschluss vom 15.06.2006 – aus:
„Der Erblasser handelte vielmehr ausschließlich im fremden Interesse der Beklagten, wobei unerheblich ist, dass dieses Interesse aus seiner Sicht plausibel und legitim sein konnte. Entscheidend ist, dass das (der Beklagten eingeräumte) Nießbrauchrecht für die Zeit nach dem Tode des Erblassers nicht mit irgendwelchen Leistungen zu seinen Gunsten zu Lebzeiten verknüpft sein sollte und tatsächlich auch nicht verbunden gewesen ist. Vielmehr war die Entscheidung des Erblassers … allein von der Sorge um ihr Wohl getragen. Zutreffend hat das Landgericht in seine Abwägung der möglichen Interessen des Erblassers im Zeitpunkt der notariellen Bestellung des Nießbrauchrechts auch einbezogen, dass im damaligen Zeitpunkt nicht zu erwarten stand, dass der Erblasser zukünftig auf Pflegeleistungen oder sonstige Zuwendungen Dritter im Alter angewiesen sein werde und dass es die Beklagte sein sollte, die den … Erblasser im Alter pflegen und betreuen sollte. Schließlich hat das Landgericht auch berücksichtigt, dass das gemeinsame Vermögen der Eltern der Klagepartei nach dem Tode des jeweils überlebenden Ehegatten den gemeinsamen Kindern zustehen und nicht einem Dritten zugute kommen solle, der an der Erarbeitung dieses Vermögens kein Anteil hatte und das Nießbrauchrecht die vererbte Immobilie langfristig wirtschaftlich entwertete. Insoweit müssen berechtigte Interessen und nachvollziehbare Erwartungen von Ehegatten im Zeitpunkt der Abfassung eines gemeinschaftlichen Testaments zugunsten der jeweils bedachten Erben mit in die Abwägung einfließen. Derartige Interessen, die sich die Ehegatten zu eigen machen und an die sie in der Folgezeit gebunden sind, verdrängen die Interessen Dritter, die weder an der Bildung des ererbten Vermögens teilhaben noch in sonstiger Weise Eigeninteressen des überlebenden Ehegatten begründen.“
Diese gegenüber einem lebzeitigen Eigeninteresse eher ablehnende Haltung des OLG Celle bestätigt das OLG München in seinem Urteil vom 23.11.2016 – 3 U 796/16.
Das OLG München führt in seiner Entscheidung vom 23.11.2016 – 3 U 796/16 aus, dass ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse beispielsweise auch dann fehlen kann, wenn der Erblasser durch die Schenkung nachträglich Zuneigung und Dankbarkeit gegenüber dem Beschenkten zum Ausdruck bringen wollte. Auch bestehe für Pflichtschenkungen (§§ 534, 1624 BGB), die jedes vernünftige Maß überschreiten, kein billigenswertes lebzeitiges Eigeninteresse. Auch das Motiv des Schenkers, eine Person in seinen Verfügungen von Todes wegen unzureichend bedacht zu haben, und sein daraus folgendes Streben, einen Erbvertrag zugunsten des Ehegatten zu korrigieren, begründet für sich allein kein billigenswertes lebzeitiges Eigeninteresse, Schenkungen vorzunehmen.
Beweispflichtig für die Schenkung ohne rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse ist der Vertrags- bzw. Schlusserbe.
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