Erbenermittlung

 

Das deutsche Erbrecht kennt keinen erbenlosen Nachlass. Nach dem Verwandten-Erbrecht gibt es eigentlich immer eine Person, die nach der gesetzlichen Erbfolge zum Erben berufen ist. Hat der Erblasser keine Kinder, also keine Erben der 1. Ordnung, so erben die Eltern des Erblassers und deren Abkkömmlinge (Erben 2. Ordnung), also die Geschwister und Neffen usw. des Erblassers. Hatte der Erblasser auch keine Geschwister, so erben die Erben der 3. Ordnung, also die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, also Tanten und Onkel, Cousins und Cousinen des Erblassers. Existieren zum Zeitpunkt des Erbfalls auch keine Erben der 3. Ordnung mehr, so ist weiter im Stammbaum des Erblassers nach Erben zu suchen. Erben der 4. Ordnung sind die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlnge. Geht man nur weit genug im Stammbaum des Erblassers zurück, wird sich irgendwann ein Abkömmling eines Vorfahrens finden. Allerdings kann die Suche danach schwierig sein. Selbst das Auffinden der Erben 3. Ordnung ist bisweilen mit Schwierigkeiten verbunden, insbesondere wenn die Großeltern des Erblassers aus Gebieten des ehemaligen Deutschen Reichs stammten (Mit Ende des 2. Weltkrieges setzte eine massenhafte Flucht aus den östlichen Teilen des deutschen Reichs ein. Ostpreußen, Westpreußen, Oberschlesien, Niederschlesien und Pommer wurden in der Konferenz von Potsdam vom Deutschen Reich abgetrennt und Polen oder der Sowjetunion zugeschlagen, womit diese Gebiete nunmehr Ausland waren. Mitgeflüchtet wurden die Unterlagen der Standesämter. Die Standesamtunterlagen aus diesen Gebieten wurden - soweit sie nicht in den Kriegswirren verloren gingen - im Standesamt I in Berlin aufbewahrt.)

Auch wenn es also keinen erbenlosen Nachlass gibt, gibt es eben doch nicht selten einen so genannten herrenlosen Nachlass, also einen Nachlass, der derzeit von niemandem verwaltet wird, weil die Erben noch gar nicht wissen, dass sie Erben geworden sind und den Nachlass aus diesem Grund naturgemäß noch nicht an sich genommen haben. 

In einer solchen Situation kann das Nachlassgericht unter bestimmten Voraussetzungen einen Nachlasspfleger bestimmen, der die Verwaltung des Nachlasses übernimmt. Zu den Voraussetzungen einer Nachlasspflegschaft und den Aufgaben und Pfllichten eines Nachlasspflegers verweisen wir auf unseren gesonderen Beitrag. 

Da die Verwaltung des "herrenlosen" Nachlasses durch einen Nachlasspfleger grundsätzlich nur vorrübergehend sein soll, ist es notwendig, die Erben des Erblassers ausfindig zu machen. 

Kann tatsächlich kein Erbe gefunden werden, übermimmt am Ende der Staat bzw. der Fiskus die Erbenposition. Bevor jedoch der Staat den Nachlass übernimmt, ist es Aufgabe des Nachlassgerichtes den oder die Erben zu ermitteln. So bestimmt § 1964 Abs.1 BGB, dass das Nachlassgericht innerhalb der Umstände entsprechenden Frist festzustellen hat, das ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist. Diese Feststellung des Nachlassgerichts begründet dann gemäß § 1964 Abs. 2 BGB die Vermutung, dass der Fiskus gesetzlicher Erbe sei. Das Gesetz spricht hier von einer Vermutung, weil es ja eigentlich immer eine natürliche Person geben muss, die mit dem Erblasser verwandt ist. Das Erbrecht des Fiskus beruht also nur auf dem Umstand, dass diese natürliche Person nicht gefunden wurde. Insofern ist der Fiskus kein "echter" Erbe aufgrund von Verwandschaft, sondern nur ein vermuteter Erbe, weil der Erbe aus ganz praktischen Gründen nicht gefunden wurde. 

Hieraus ergibt sich, dass das Erbrecht des Fiskus eigentlich davon abhängt, wieviel Mühe und Sorgfalt man sich bei der Suche nach einem Verwandten des Erblassers gemacht hat. Die §§ 1964 und 1965 BGB sagen nichts darüber aus, welche Maßnahmen das Nachlassgericht zur Ermittlung der Erben tatsächlich zu ergreifen hat. Wegen der fehlenden gesetzlichen Vorgaben handeln die Nachlassgerichte hier auch völlig unterschiedlich. 

Häufig überträgt das Nachlassgericht dem Nachlasspfleger die Aufgabe, den oder die unbekannten Erben zu ermittlen. 

Nicht geklärt ist, ob und unter welchen Voraussetzungen der vom Gericht bestellte Nachlasspfleger, dem auch die Aufgabe übertragen wurde, den oder die gesetzlcihen Erben zu ermitteln, diese Augabe an gewerbliche Erbenermittler übertragen kann. So wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass der Nachlasspfleger diese Aufgabe gar nicht auf gewerbliche Erbenermittler übertragen kann und einem gewerblichen Erbenermittler keine Informationen übergeben kann (Holl, Rpfleger, 2008, 286). 

In diesem Zusammenhang hat das Landgericht Berlin in seiner Entscheidung vom 14.09.2011 - 3 O 613/10 entschieden, dass zwar kein Anspruch der Erben gegen den Nachlasspfleger besteht, dass dieser die Erben tatsächlich erfolgreich ermittelt. Der Nachlasspfleger habe aber gegenüber den unbekannten Erben die Verpflichtung, alles Zumutbare zu unternehmen, um seinem Aufgabenbereich vollständig nachzukommen. Hierzu gehöre bei der Übernahme der Erbenermittlung auch, zunächst alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung der Erben in die Wege zu leiten. Welche Maßnahmen zur Ermittlung des Erben jedoch in diesem Sinne "zumutbar" sein sollen, ist ungeklärt. Man wird jedenfalls von dem mit der Erbenermittlung beauftragten Nachlasspfleger verlangen können, dass zumindest Anfragen an die drei Register (Sterberegister, Eheregister, Geburtenregister) gestellt werden. 

 

 

 

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