Lebensversicherung

 

Gehört die Lebensversicherung zur Erbschaft?

 

Häufig kommt es vor, dass der Erblasser in einem Lebensversicherungsvertrag nicht seine Erben, sondern andere Personen als Bezugsberechtigte angegeben hat. Nicht selten sind dabei die Fälle, in denen der Abschluss der Lebensversicherung Jahre oder Jahrzehnte zurückliegt und der Erblasser an die Bezugsberechtigten in den Versicherungsverträgen gar nicht mehr gedacht hat. Die Versicherungsleistung fällt dann gegebenenfalls nicht in den Nachlass und steht den Erben nicht zu. Selbst wenn der Erblasser und der Bezugsberechtigte schon seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr hatten, halten sich die Lebensversicherungen an die Angabe des Bezugsberechtigten im Versicherungsvertrag und zahlen die Versicherungsleistung nicht an die Erben, sondern an diese Person aus.

 

Können die Erben die Bezugsberechtigung widerrufen?

 

Es ist allerdings unter Umständen möglich, die Versicherungsleistung zum Nachlass zu ziehen und für die Erben zu sichern. Zwar können die Erben nach der Rechtsprechung die Bezugsberechtigung nach dem Tod des Versicherungsnehmers nicht mehr aufheben oder widerrufen. Die Erben können aber unter Umständen das Angebot auf Abschluss eines Schenkungsvertrages widerrufen noch bevor ein entsprechender Schenkungsvertrag zustande kommt. Die rechtliche Bewertung, die sich dahinter verbirgt, ist etwas komplizierter und wird später dargestellt.

 

Im Ergebnis führt die Rechtsprechung der Gerichte dazu, dass es einen echten zeitlichen Wettlauf zwischen den Erben und den Bezugsberechtigten geben kann. Sobald die Versicherungsleistung an die Bezugsberechtigten ausgezahlt wurde, ohne dass zuvor das Schenkungsangebot wirksam widerrufen wurde, haben die Erben gegen den Bezugsberechtigten in der Regel keinen Anspruch mehr. Bestehen Lebensversicherungsverträge sollte also schnellstmöglich überprüft werden, ob von den Erben abweichende Personen als Bezugsberechtigte angegeben wurden. Ist dies der Fall, sollten die Bezugsberechtigten sofort angeschrieben und ein entsprechendes Angebot auf Abschluss eines Schenkungsvertrages widerrufen werden. Dabei sollte den Bezugsberechtigten sofort der Widerruf zugehen und die Angelegenheit nicht mit ihnen telefonisch oder per Mail vorher besprochen werden, da dann die Gefahr besteht, dass sich die Bezugsberechtigten sofort bei der Lebensversicherung melden, um die Auszahlung zu beschleunigen bzw. den Schenkungsvertrag zu schließen.

 

Hintergrund ist rechtlich folgendes: Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen dem Deckungsverhältnis und dem Zuwendungsverhältnis (Valutaverhältnis). Das Deckungsverhältnis betrifft das Verhältnis zwischen der Versicherungsgesellschaft und dem Bezugsberechtigten. Das Zuwendungsverhältnis betrifft das Verhältnis zwischen dem Begünstigten und dem verfügenden Versicherungsnehmer bzw. dessen Erben.

 

Während die Bezugsberechtigung nach dem Tod des Versicherungsnehmers von den Erben nicht mehr widerrufen werden kann und der Bezugsberechtigte daher von der Versicherungsgesellschaft grundsätzlich die Auszahlung der Versicherungsleistung verlangen kann (Deckungsverhältnis), ist eine gänzlich andere Frage, ob der Bezugsberechtigte gegenüber den Erben des Versicherungsnehmers berechtigt ist, die Leistung der Versicherungsgesellschaft auch tatsächlich zu behalten.

Der Bezugsberechtigte kann die Versicherungsleistung gegenüber den Erben nur dann behalten, wenn hierfür ein Rechtsgrund besteht, also z.B. ein Schenkungsvertrag zustande gekommen ist. In der Regel ist zu Lebzeiten des Versicherungsnehmers noch kein Schenkungsvertrag zustande gekommen. Der Schenkungsvertrag kommt dann in der Regel so zu Stande, dass die Versicherungsgesellschaft dem Bezugsberechtigten nach dem Tod des Versicherungsnehmers das Angebot auf Abschluss eines Versicherungsvertrages überbringt. Hierzu sei die Lebensversicherung in der Regel vom Versicherungsnehmer beauftragt, denn wenn ein Versicherungsnehmer der Versicherung gegenüber einen Bezugsberechtigten für den Todesfall angibt, so sieht die Rechtsprechung darin zugleich den konkludenten Auftrag an den Lebensversicherer, dem Bezugsberechtigten ein Schenkungsangebot zu überbringen. Ein insoweit mit Botendiensten beauftragter Versicherer erfüllt diesen Auftrag im Regelfall durch Auszahlung der Versicherungssumme an den Begünstigten, weil darin konkludent das Schenkungsangebot des Verstorbenen zum Ausdruck kommt. Dieses Angebot kann der Begünstigte durch Annahme des Geldes konkludent annehmen (BGH, Urteil vom 21. Mai 2008; BGH Beschluss vom 10.04.2013 - IV 38/12).

 

Allerdings soll es nach der Rechtsprechung nicht ausreichen, dass der Bezugsberechtigte in irgendeiner Weise von seiner Bezugsberechtigung erfährt. Erforderlich für das Zustandekommen eines Schenkungsvertrages ist die Übermittlung eines entsprechenden Angebotes durch die Versicherung. So heißt es in der maßgeblichen Entscheidung des BGH vom 21.5.2008: „Erlangt der Dritte nach dem Tode des Versicherungsnehmers Kenntnis von seiner Bezugsberechtigung und fordert er deshalb vom Versicherer die Todesfallleistung, so wird ihm ein Schenkungsangebot des Versicherungsnehmers nicht schon dadurch übermittelt, dass der Versicherer Unterlagen zur Prüfung des Sachverhalts (hier die Übersendung des Versicherungsscheins und einer Sterbeurkunde) anfordert.“

 

Ist der Schenkungsvertrag wirksam zustande gekommen, so finden die erbrechtlichen Bestimmungen insoweit keine Anwendung (BGH, Urteil vom 21. Mai 2008 - IV ZR 238/06, BGH Beschluss vom 10.04.2013 - IV 38/12).

 

 

 

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