Nießbrauch - Übertragung von Immobilien unter Vorbehalts des Nießbrauchs als Gestaltungsmittel der vorweggenommenen Erbfolge

Immobilien eignen sich sehr gut, um Vermögen bereits frühzeitig auf die nachfolgende Generation zu übertragen. Behalten sich die Eltern hierbei den Nießbrauch vor, übertragen sie zwar die Vermögenssubstanz, sie behalten aber die Einkunftsquelle und vereinnahmen so weiterhin die Erträge aus der Immobilie. Die Übertragung von Immobilien unter Vorbehalt des Nießbrauchs ist aus vielen Gründen eine beliebte Gestaltung im Rahmen der so genannten vorweggenommener Erbfolge.

Warum lassen sich durch die Übertragung von Eigentum zu Lebzeiten unter Nießbrauchvorbehalt die Schenkungssteuerfreibeträge besser nutzen?

Wird Vermögen im Wege der Erbfolge übertragen, können die Erben je nach Verwandtschaftsgrad Erbschaftssteuerfreibeträge nutzen. Naturgemäß können Steuerfreibeträge für den Erbfall aber nur einmal genutzt werden. Schenkungssteuer und Erbschaftssteuer sind allerdings weitestgehend identisch und miteinander verzahnt. So können die Freibeträge alle 10 Jahre wieder neu in Anspruch genommen werden. Durch die lebzeitige Übertragung von Immobilien an die nächste Generation lassen sich die Schenkungs- und Erbschaftssteuerfreibeträge daher unter Umständen mehrfach nutzen.

Bei der Übertragung von Eigentum unter Vorbehalt des Nießbrauchs geben die Eltern ihr Vermögen jedoch nicht vollständig aus der Hand. Die Kinder können mit der an sie übertragenen Immobilie nicht „machen was sie wollen“. Die Nutzungen stehen immer noch den Eltern zu und durch die Gestaltung des Übertragungsvertrages, z.B. durch Vereinbarung von Verkaufsverboten und Rückübertragungsrechten, kann die weitere Verwendung des Vermögens weiterhin von den Eltern bestimmt werden.

Ein weiterer Vorteil in der Gestaltung liegt darin, dass der Wert der Schenkung an die Kinder durch den Vorbehalt des Nießbrauchs deutlich gesenkt werden kann. Die Kinder erhalten ja nicht den gesamten Wert der Immobilie, sondern den Wert der Immobilie abzüglich des Wertes des Nießbrauchs. Auf diese Weise können dann unter Umständen auch Immobilien, deren Wert deutlich oberhalb des Schenkungssteuerfreibetrages liegt, schenkungssteuerfrei auf die nächste Generation übertragen werden. Fällt der Nießbrauch durch den Tod der Berechtigten später weg, liegt darin kein schenkungs- oder erbschaftssteuerlich relevanter Vorgang.

Was ist der Unterschied zwischen einem Vorbehaltsnießbrauch und einem Zuwendungsnießbrauch?

Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ist zunächst einmal der Vorbehaltsnießbrauch von Bedeutung. Bei der Übertragung von Immobilien auf die nächste Generation bzw. auf diejenigen Personen, die später auch einmal Erben werden sollen, wird zwar das Eigentum am Grundbesitz übertragen, der Übertragende behält sich aber den Nießbrauch vor. Der Übertragende und der Nießbraucher sind in diesem Fall identisch. Wird das Nutzungsrecht dagegen einem Dritten eingeräumt, handelt es sich um einen Zuwendungsnießbrauch. Die Unterscheidung ist für die steuerliche Beurteilung von entscheidender Bedeutung.

Auch im Rahmen der so genannten vorweggenommenen Erbfolge kann der Zuwendungsnießbrauch aber eine Rolle spielen. Steht eine Immobilie etwa im Alleineigentum eines Ehegatten und soll dieses Eigentum zu Lebzeiten an die nächste Generation übertragen werden, behält sich zunächst der Übertragende den Nießbrauch vor. Häufig wird dann noch zusätzlich vereinbart, dass nach dem Tod des Erstversterbenden dem überlebenden Ehegatten der Nießbrauch eingeräumt wird. Erst wenn dieser ebenfalls verstirbt, kommt die nächste Generation in den unbelasteten Genuss des Eigentums. Da der überlebende Ehegatte in diesem Fall zuvor nicht der Eigentümer des Grundbesitzes war, handelt es sich bei der Einräumung des Nießbrauchs zugunsten des überlebenden Ehegatten um einen Zuwendungsnießbrauch seitens des anderen Ehegatten.

Wem stehen bei Einräumung eines Nießbrauchs die Mieteinnahmen zu?

Wird bei der Grundstücksübertragung der Nießbrauch vorbehalten, stehen dem Nießbraucher nach § 1030 BGB die Erträge aus der Immobilie zu. Der Nießbraucher bleibt Vermieter der Immobilie. Insofern kommt es trotz des Wechsels des Eigentümers nicht zu einem Wechsel des Vermieters im Mietverhältnis zu den Mietern. Insofern kommt es beim Vorbehalt des Nießbrauchs auf die Bestimmung des § 566 BGB, wonach der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eintritt, in der Regel gar nicht an.

Welche Kosten im Zusammenhang mit der Immobilie muss der Eigentümer tragen und welche der Nießbraucher?

Der Nießbrauchberechtigte st verpflichtet, für die Erhaltung der Immobilie zu sorgen und für die Dauer des Nießbrauchs öffentliche und private Lasten in Bezug auf das Grundstück zu tragen (§§ 104110451047 BGB). Aufgrund der gesetzlichen Regelung muss der Nießbraucher nur für die gewöhnlichen Aufwendungen aufkommen.

Außerordentliche Ausbesserungen und Erneuerungen (wie z.B. größere Instandhaltungen) müssen dagegen vom Eigentümer übernommen werden. Regelmäßig wird dies im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolgereglung abweichend geregelt und dem Nießbraucher werden vertraglich auch die außergewöhnlichen Belastungen auferlegt. Hintergrund ist, dass die Kinder ja erst nach dem Tod der Eltern die Immobilie wirtschaftlich selbst nutzen können und sie deshalb auch nicht vorher schon wirtschaftlich belastet werden sollen.

Wie ist die Übertragung von Immobilien unter Vorbehalt eines Nießbrauchs ertragssteuerlich zu behandeln?

Die ertragsteuerlichen Folgen des Nießbrauchs sind weitgehend geklärt („Nießbraucherlass″, BMF vom 30. September 2013, BStBl. I S. 1184). Der Nießbraucher, der die Erträge vereinnahmt, versteuert diese als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Er kann im Falle des Vorbehaltsnießbrauchs auch weiterhin die Abschreibung steuerlich geltend machen, da er selbst die Anschaffungskosten der Immobilie getragen hat. Im Falle eines Zuwendungsnießbrauchs ist dagegen ein Abzug der Abschreibung nicht möglich ist. Denn der Nießbraucher hat die Anschaffungskosten nicht getragen und der Eigentümer erzielt selbst keine Einnahmen.

Soweit der Nießbraucher aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtung die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Immobilie trägt, ist er zum Werbungskostenabzug berechtigt. Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, dass in der Nießbrauchvereinbarung dem Nießbraucher auch die Verpflichtung zur Tragung der außerordentlichen Aufwendungen auferlegt wird, da er diese aufgrund der gesetzlichen Regelung nicht tragen müsste. Fehlt eine vertragliche Vereinbarung und werden sie dennoch vom Nießbraucher übernommen, stellt dies eine Schenkung an den Grundstückseigentümer dar. Weder der Eigentümer noch der Nießbraucher können die Kosten steuerlich geltend machen.

Welchen Wert hat der Nießbrauch?

Der Nießbrauch wird mit dem Kapitalwert berücksichtigt (§§ 13 bis 16 BewG), der sich aus dem durchschnittlichen Jahreswert multipliziert mit einem von der Dauer des Nießbrauchs abhängigen Vervielfältiger ergibt.

Im Falle eines lebenslangen Nießbrauchs ist das Alter des Nießbrauchberechtigten maßgebend (§ 14 BewG). Die Vervielfältiger werden jährlich auf der Grundlage der Sterbetafel von der Finanzverwaltung veröffentlicht.

Je jünger der Nießbrauchberechtigte ist, umso höher ist der Vervielfältiger und umso höher ist der Wert des Nießbrauchs. Bei höheren Vermögen kann es deshalb sinnvoll sein, schon früher mit der Übertragung von Vermögen auf die nächste Generation zu beginnen, denn werden Immobilien unter Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen, so ist der Wert der Schenkung umso geringer, je jünger die übertragende Person ist, die sich den Nießbrauch vorbehält.

Kann der Nießbrauch auch dem anderen Ehegatten eingeräumt werden, der nicht Eigentümer der Immobilie ist?

Häufig ist es der Wunsch der Eltern, solange die Mieterträge zu vereinnahmen, bis der Letzte von ihnen verstirbt. Ist nur ein Ehegatte Eigentümer des Grundstücks, besteht meist der Wunsch, den anderen Ehegatten auch nach seinem Tod durch Zufluss der Mieteinnahmen abzusichern.

Das Nutzungsrecht des anderen Ehegatten kann auf unterschiedliche Weise ausgestaltet werden. Beispielsweise können sich die Ehegatten von Anfang an einen Gesamtnießbrauch vorbehalten oder der Nießbrauch des anderen Ehegatten tritt erst aufschiebend bedingt auf den Tod des Schenkers ein. Die Varianten haben unterschiedliche steuerliche Konsequenzen.

Beim Gesamtnießbrauch wird der Kapitalwert des Nießbrauchs mit dem höheren Vervielfältiger der beiden Ehegatten berechnet, was von Vorteil sein kann, wenn z.B. der nicht schenkende Ehegatte einen höheren Vervielfältiger hat als der Schenker, da sich dann ein höherer Nießbrauchswert als Abzugsposition ergibt. War nur ein Ehegatte Eigentümer der Immobilie, erhält der andere einen Zuwendungsnießbrauch. Der Zuwendungsnießbrauch unterliegt der Schenkungsteuer (diese kann auf Antrag mit dem Jahreswert versteuert werden, § 23 ErbStG). Ertragsteuerlich ist diese Variante nachteilig, da aufgrund des Zuwendungsnießbrauchs die hälftige Abschreibung nicht mehr geltend gemacht werden kann.

Im Fall der aufeinanderfolgenden Berechtigung der Ehegatten wird zunächst nur der Nießbrauch des Schenkers nach seinem Lebensalter bewertet. Der andere Ehegatte erhält einen schenkungssteuerrelevanten Zuwendungsnießbrauch erst (aufschiebend bedingt) im Zeitpunkt des Versterbens des ersten Ehegatten. Ertragsteuerlich ist diese Variante dem Gesamtnießbrauch vorzuziehen, da die Abschreibung für die Immobilie bis zum Versterben des ersten Ehegatten noch in vollem Umfang genutzt werden kann.

Für die Praxis ist in diesem Fall zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt des Todes des ersten Nießbrauchberechtigten die ursprüngliche Schenkungssteuerveranlagung rückwirkend korrigiert und der Nießbrauch des zweiten Ehegatten berücksichtigt werden kann. Die Änderung ist jedoch nur auf Antrag möglich. Dieser ist zeitgebunden bis zum Ablauf des Folgejahres nach dem Versterben des ersten Ehegatten zu stellen (§ 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG). Da ein Nießbrauch durchaus sehr viele Jahre laufen kann, bis die Berechtigung des zweiten Ehegatten eintritt, ist entsprechende Vorsorge zu treffen, dass dies nicht in Vergessenheit gerät. Insbesondere sollten die Unterlagen zur Schenkung aufbewahrt werden.

Ist eine Übertragung von Immobilien unter Vorbehalt des Nießbrauch auch bei Fremdfinanzierung sinnvoll?

Der Vorbehalt eines Nießbrauchs ist auch im Hinblick auf möglicherweise noch bestehende Darlehensverpflichtungen von Interesse. Wollen Eltern Immobilien an ihre Kinder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen und bestehen noch Darlehensverpflichtungen der Eltern im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundbesitzes oder im Zusammenhang mit Investitionen in den Grundbesitz, so sollen die Kinder regelmäßig nicht mit den Darlehensverpflichtungen belastet werden. Bei einer schenkweisen Übertragung der Immobilie an die nächste Generation ohne Vorbehalt des Nießbrauchs stehen die Eltern dann unter Umständen vor dem Problem, dass ihnen die notwenige Liquidität für die Erfüllung der Darlehensverpflichtungen fehlen würde oder sie dies zumindest befürchten. Zudem können sie dann unter Umständen die Darlehenszinsen nicht mehr steuerlich geltend machen, da sie mit dem Grundbesitz bei vorbehaltloser Übertragung des Eigentums keine Mieteinnahmen mehr haben. Durch den Vorbehalt des Nießbrauchs wird also einerseits sichergestellt, dass die Eltern weiterhin durch die Mieteinnahmen ausreichende Einkünfte generieren, die ihnen den Schuldendienst ermöglichen und zum anderen können Sie die Finanzierungszinsen steuerlich weiterhin als Werbungskosten geltend machen.

Im Falle einer Fremdfinanzierung sollte aber geklärt werden, ob die Schulden im Falle des Versterbens des Schenkers auf den Grundstückseigentümer oder auf die Erben übergehen sollen. Die lebzeitige Verfügung sollte deshalb mit den letztwilligen Verfügungen der Übertragenden abgestimmt werden. Wird die Übernahme der Schulden durch den Beschenkten bereits bei Übertragung des Grundstücks vereinbart, können die Eltern, die ja aufgrund des Vorbehalts des Nießbrauchs weiterhin die Mieteinnahmen generieren bzw. das Objekt ggf. weiterhin selbst nutzen, die Kinder als neue Eigentümer im Innenverhältnis für die Dauer des Nießbrauchs von den Darlehensbelastungen (Zins und Tilgung) freistellen. Dies hat jedoch den Nachteil, dass nach neuerer Rechtsprechung der Jahreswert zur Berechnung des Kapitalwerts des Nießbrauchs um die Zinsaufwendungen zu mindern ist, was den Kapitalwert des Nießbrauchs erheblich mindern kann (BFH vom 28. Mai 2019, BFH/NV 2020, 146). Es ist daher ggf. zu prüfen, ob der Übergang des Restdarlehens auf den Grundstückseigentümer im Falle des Todes des Schenkers nicht auf andere Weise, insbesondere durch testamentarische Verfügungen geregelt werden kann. Dies hängt von der individuellen Situation der Familie und dem vorhandenen Vermögen ab.

Fällt bei der Übertragung von Immobilien unter Vorbehalt des Nießbrauchs Grunderwerbssteuer an?

Aus grunderwerbsteuerlicher Sicht wird der Nießbrauch – anders als für Zwecke der Einkommensteuer und der Schenkungsteuer – als Entgelt angesehen. Es handelt sich also im Sinne der Grunderwerbsteuer nicht um eine unentgeltliche Grundstücksübertragung, so dass die Grunderwerbsteuerbefreiung der unentgeltlichen Grundstücksübertragung des § 3 Nr. 2 GrEStG nicht zur Anwendung kommt. Im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgt die Übertragung von Grundbesitz jedoch meistens auf die nächste Generation, also von Eltern an die Kinder. Grundstücksübertragungen in gerader Linie sind ebenfalls grunderwerbsteuerfrei (§ 3 Nr. 6 GrEStG), so dass sich in dieser Konstellation die Entgeltlichkeit des Nießbrauchs nicht nachteilig auswirken.

Die genaue Ausgestaltung der Übertragung unter Vorbehalts des Nießbrauchs als Gestaltungsmittel der vorweggenommenen Erbfolge ist sehr komplex. Die Vereinbarung sind unbedingt im Kontext zu planen. Die Auswirkungen auf das Pflichtteilsrecht sind ebenso in die Überlegungen einzubeziehen wir steuerliche Aspekte. Eine Abstimmung mit letztwilligen Verfügungen von Todes wegen (Testament, Erbvertrag) ist dringend erforderlich. Eine Begleitung der Erbfolgeplanung durch einen spezialisierten Fachanwalt für Erbrecht ist unbedingt zu empfehlen.

Für weitere Fragen steht Ihnen die Fachanwaltskanzlei für Erbrecht Dr. Michael Gottschalk zur Verfügung.

 

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